Laokoon
Antike und Internet
eine Einführung: Teil 5
Penelope

Wir kommen zu unserem zweiten Paradigma, wieder sei Arachne unsere Leitfigur, dieses Mal aber ihre bildliche Repräsentation am Forum Transitorium bzw. Nervaforum in Rom. Ihr Gewebe führt uns auf ein Terrain, das seit gut fünf Jahren durch die laufenden Ausgrabungen sich dem Betrachter in immer neuen Erscheinungsformen darbietet. Die gedruckten Reiseführer können mit den Veränderungen schon aus produktionstechnischen Gründen nicht mithalten. Dieses rasche Tempo, das derzeit alle nordalpinen Vorurteile gegen das dolce far niente Lügen straft, erstreckt sich auch auf viele andere, durch den giubileo 2000 ausgelöste Aktivitäten. Wer aber mit seinen Schülern oder Studenten derzeit eine Romfahrt plant und nicht erst an Ort und Stelle staunend vor geschlossenen alten und offenen neuen Museen stehen will, tut gut daran zu versuchen, ob nicht das Internet Abhilfe schaffen kann. Das gilt zum einen für den Ersatz des normalen Briefverkehrs durch Email, zum anderen aber und vor allem für die Informationsbeschaffung
Es sei vorausgeschickt, daß dies keine theoretisch konstruierte Erörterung ist, sondern von mir selbst bei der Vorbereitung der Erlanger Romexkursion im August 1999 praktisch erprobt wurde.
Die Basis für unsere virtuelle Fahrt über die Alpen sei die Sektion Rom im WWW der Kirke:
     http://www.kirke.hu-berlin.de/ressourc/roma.html
Dort findet sich - als Anregung - auch das Programm der beiden Romexkursionen von 1994 und 1999.
Als erstes benötigt man natürlich ein Hotel, ich empfehle für unsere Zwecke die Casa Kolbe, ruhig und dennoch zentral zwischen Kapitol und Palatin gleich hinter der Bocca della Verità gelegen. Informationen liefert die Datenbank der Stadt Rom - Informaroma (http://www.informaroma.it). Wenn diese nicht erreichbar ist (wie in diesen Tagen), steht als Alternative das Progetto Magica zur Verfügung, das allerdings etwas langsamer arbeitet und umständlicher zu bedienen ist. Beiden Datenbanken aber, die nicht von kommerziellen Anbietern stammen, ist gemeinsam, daß sie eine umfassende Übersicht bieten und nicht nur zahlenden Inserenten o.ä. aufnehmen. Hat man dann ein passendes Quartier gefunden, kann man diese Datenbanken in einem zweiten Schritt nützen, um herauszufinden, was es in der Umgebung so alles gibt: wieviele und wie teuere Restaurants, welche Kirchen, Apotheken, welche Museen oder welch sonntags geöffnete Bars. Auch das ist für die Vorabinformation des Reiseleiters und auch der Mitreisenden eine recht nützliche Sache.
Wenn das geklärt ist, muß die Anreise organisiert werden, in unserem Beispiel per Bahn mit dem Nachtzug. Die elektronische Bahnauskunft http://bahn.hafas.de bietet für heute Nachmittag von unserem Tagungslokal an folgende Verbindungen:

     Ernst-Abbe-Platz ab 14.45 Straßenbahn
     Jena Paradies an 14.48

     Jena Paradies ab 14.58 IC
     München    an 19.16

     München    ab 20.30 D
     Roma Termini    an 08.20
Wenn diese Verbindung günstig erscheint und die Suche nach eventuellen Alternativen abgeschlossen ist, könnten Einzelreisende und Kleingruppen bis zu fünf Personen nun gleich online die Fahrscheine und die Reservierung bestellen. Für Klassenfahrten aber ist man immer noch auf die traditionellen Vorgehensweisen angewiesen.
In Rom angekommen - genauer an der jüngst glanzvoll restaurierten Stazione Termini (http://194.196.12.185/fs/STAZIONI/frmter.html) -, sofern man nicht durch einen Streik gehindert wurde (http://www.fs-on-line.com/hotnews/magazine.htm) - stellt sich nun die Frage, wie man die Reise fortsetzen soll. Wir brauchen also zunächst eine Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel und dann am besten einen Fahrplan. Wer über letztere Vermutung staunen sollte, der sei versichert, ja es gibt zumindest im Internet einen Fahrplan für den öffentlichen Nahverkehr in Rom.
Die offizielle Seite der ATAC, des römischen Buskonsortiums, - http://www.atac.roma.it - liefert Auskunft über die verschiedenen angebotenen Tickets und unter http://www.atac.roma.it/trasroma/biglietti/meta.htm findet man die höchst empfehlenswerte Wochenkarte zum aktuellen Preis von 24 000 Lire. Ebenfalls bei der Atac gibt es auch eine Auflistung der Linienführungen und der Taktfrequenz sowie eine aktuelle Übersicht über etwaige Änderungen in der Linienführung, was jeder begrüßen wird, der schon einmal eine Stunde oder mehr auf einen Bus gewartet hat, bis er festgesellt hat, daß die Linie nicht mehr in der gewohnten Straße verkehrt. Und wem das noch nicht genügt, der kann sich unter http://infopoint.atac.roma.it die Route graphisch anzeigen und in Tabellenform auflisten lassen, mit allen Fußwegen und Umsteigehaltestellen.
Dieser Service läßt sich selbstverständlich auch für die Routenplanung beim Aufenthalt in Rom selbst nützen. Vor allem ist es schon zu Hause möglich, verschiedene Varianten durchzuspielen und den optimalen Weg für eine Gruppe zu finden.
Um die Route aber planen zu können, muß man zunächst einmal wissen, welche Museen, Ausgrabungsstätten, Kirchen und Sonderausstellungen man eigentlich besuchen möchte und möglichst auch schon, in welchem aktuellen Zustand sich diese präsentieren. Über lange Jahre bewährte Programme werden plötzlich obsolet - zum Beispiel ist die Ara Pacis nun längerfristig geschlossen, es aber mehr als gleichwertigen Ersatz:
Eine der spetakulärsten Entwicklungen sind die im Jahr 1995 begonnenen Ausgrabungen im Bereich der der Kaiserforen, die die von Mussolinis Via dei Fori Imperiali begrabenen antiken und mittelalterlichen Reste ans Licht zu bringen und vor allem zu erforschen gedenkt. Auch wenn man es aus Plänen und Rekonstruktionen theoretisch schon längst hätte wissen können, erst der Eindruck der Autopsie bringt. Einen gewissen Ersatz können zwei von der Stadt Rom eingerichtete WWW-Angebote bringen.
1. Eine eher wissenschaftsorientierte Seite ist Progetto Fori Imperiali - http://www.traiano.com -, wo die Ergebnisse der Ausgrabungen fast tagesaktuell abgerufen werden können, darunter die Entdeckung der Fundamente für das bis in die Spätantike hochberühmte Reiterstandbild des Traian, von dem sogar eine computeranimierte dreidimensionale Rekonstruktion zu besichtigen ist. Die Sektion über das Caesaforum und das Forum Pacis sind noch etwas dünn bestückt, aber die Seiten über das Traiansforum enthalten auf Italienisch und Englisch die Ergebnisse der letztjährigen Grabungskampagne sowie grundsätzliche Informationen. Auch wissenschafliche Artikel über die Grabungsergebnisse stehen zur Lektüre - oder zunächst zum Ausdruck zu Verfügung, außerdem ein Fotoarchiv. Da die Seiten sehr viele Graphiken enthalten, dauert es ein wenig, bis sie geladen sind, aber das Warten lohnt sich. Im übrigen läßt sich das auch gewinnbringend als Be- gleitmaterial für die Pliniuslektüre einsetzen, wenn es um den Briefwechsel mit dem Kaiser Traian über die Christen geht, der auf diese Weise als Herrscher in seinem Prestige und seiner auctoritas vorgestellt werden kann
2. Eine eher auf ein breiteres Publikum zugeschnittene Seite ist Capitolium.org - http//www.capitolium.org, die als besonderes Zuckerstück Bilder mit der Livecamera vom Forum Romanum oder vom Petersplatz bietet. Den Besuch lohnt aber auch der Reliefplan des Zentrums des antiken Roms und die bildliche Gegenüberstellung, wobei wichtige Bauwerk in ihrem heutigen Zustand mit einer graphischen Rekonstruktion konfrontiert werden. Mir scheint das eine derjenigen Seiten zu sein, die besonders für die Vorbereitung zusammen mit den Schülern geeignet ist, denn gerade der ruinöse Zustand überfordert die Phantasie doch oftmals bei weitem
Ebenso wichtig und hilfreich sind die Übersichtsseiten und auch Detailinformationen zu einzelnen Museen - hier wird sich jeder selbst seine eigene Lieblingsseite suchen müssen. Gute Erfahrungen, wenn es nur um die Basisinformationen geht, habe ich mit dem Gemeinschaftsunternehmen des italienischen Kulturministeriums und Microsoft - Museionline - gemacht - http://www.museionline.it. Die unter der Verantwortung der Stadt Rom stehenden archäologischen Monumente sind auch gut über die Comune Roma-Seiten erschlossen - http://www.comune.roma.it/cultura/uffmonsc/indice.htm: Gerade kleinere und nicht so bekannte Sehenswürdigkeiten sind dort aufgelistet, beispielsweise das Auditorium des Maecenas oder der Tempel des Claudius auf dem Caelius und gebenenfalls auch die Öffnungszeiten genannt. Man muß das nicht alles besichtigen, aber manches dieser kleineren Zeugnisse der Antike ist ohnehin am täglichen Weg zu den Highlights gelegen und man wird, wenn man sich einmal umgesehen hat, nicht mehr achtlos daran vorbeigehen.
Nun ist es gerade bei den italienischen Museen recht nützlich, auch die Verlautbarungen des zuständigen Ministeriums zu kennen, denn in den letzten Jahren hat es immer wieder durch Sondermaßnahmen verlängerte Öffnungszeiten gegeben, im Falle der Hauptmuseen wie dem Palazzo Massimo, dem Palazzo Altemps und der Engelsburg bisweilen gar bis Mitternacht. - Das kann man schon im voraus durch die Pressemeldungen des Ministero per i beni e le attività culturali erfahren (http://www.beniculturali.it)
Ich möchte Ihnen nun noch einige wenige Museen mit den zugehörigen Informationsmöglichkeiten vorführen. Zunächst zu nennen und als vorbildlich zu preisen ist das System, über das die 1998 in strahlendem Glanz nach der Restaurierung wieder erstandene Galleria Borghese angebunden ist - http://www.ticketeria.it. Da es gerade für Gruppenbesuche unabdingbar ist, eine Vorbestellung vorzunehmen, kann man das bequem per Email, Fax oder Telefon vorab tun - experto credite: es funktioniert problemlos. Oder man nimmt von dieser Seite aus über http://www.galleriaborghese.it erst einmal einen virtuellen Spaziergang zu Bernini, Caravaggio & Co, um schon vorab einen Blick auf Apollo und Daphne, Aeneas und Anchises, den Raub der Proserpina oder die Jagd der Diana und die Zauberin Kirke zu werfen.
Ebenfalls reservieren muß man für die Domus Aurea. Im letzten Juni wurde sie zumindest teilweise der staunenden Öffentlichkeit wieder zugänglich, ein Vorausgriff auf die Sensationen des Jahres 2000 und auch ein Spiel mit dem Kitzel, der immer noch von Nero und seinem Namen ausgeht. Leider kann man hier die Vorbestellung nicht online vornehmen, aber unter http://www.comune.roma.it/cultura/italiano/monumenti/monumenti/extra/domus_aurea/index.htm gibt es ebenfalls ausführliche Informationen und die entsprechenen Kontaktadressen. Schön gemacht ist auch http://www.romeguide.it/domus_aurea/index.htm. Eine kleine Fotogalerie - enstanden unter schwierigen Bedingungen - habe ich selbst zusammengestellt: http://www.kirke.hu-berlin.de/bilder/rombild/domusaurea.html.
Solche Vorabinformationen sind umso nötiger, als selbst die archäologische Fachliteratur ja die Führungswege nicht kennt, so daß man sich recht unvorbereitet in die 45minütige Tour durch Neros Palast, genauer: durch einen winzigen Teil des Palastes, begeben müßte. Aber der Ertrag lohnt die geringe Mühe, denn kein anderer Sitz eines römischen Kaisers in der Stadt Rom ist in so gut erhaltener Form heute noch zu sehen.
Kurz gefaßte, aber dennoch für einen ersten Überblick hinreichende Seiten gibt es auch für die beiden in den letzten Jahren geöffneten Ausstellungsgebäude, in denen die Schätze aus dem Nationalmuseum zu besichtigen sind - den Palazzo Altemps und den Palazzo Massimo alle Terme. Und auch die noch bis Ende 2000 zu bestaunende, atemberaubende Präsentation der Bestände der Kapitolinischen Museen in der Centrale Montemartini hat immerhin eine Kurzbeschreibung.
So könnte man nun noch lange fortsetzen. Gestatten Sie mir in Form einer praeteritio auf die Vatikanischen Museen hinzuweisen, auf die Katakomben, auf die Casa di Goethe, auf die Castelli Romani, auf die verschiedenen Institutionen, die sich um das Heilige Jahr 2000 kümmern - und auf viele Seiten, die den archäologischen Funden gewidmet sind - hätten wir ein ganzes Semester zwei Stunden in der Woche Zeit, ich käme mit der ausführlichen Präsentation vielleicht gerade notdürftig zu Ende.
Es sei stattdessen noch erwähnt, daß auch die römischen Tageszeitungen La Repubblica (http://www.repubblica.it) und vor allem Il Messaggero (http://www.ilmesaggero.it) im WWW präsent sind. Dort finden sich nicht nur zusätzliche Meldungen über aktuelle Ausgrabungen, aber auch die kurzfristigen Änderungen, Ankündigungen von Streiks etc. Wichtig, und vor allem für Klassenfahrten recht hilfreich sind auch die Veranstaltungshinweise, die entweder ebenfalls in den Tageszeitungen stehen oder auf eigenen Seiten, wie alljährlich für die Estate Romana.
Es dürfte jetzt schon deutlich geworden sein, daß das Internet und seine Recherchemöglichkeiten gerade dann ein besonders gutes Informationsmedium darstellen, wenn es um Aktuelles, sich beinahe täglich Veränderndes geht. Wie gut die Informationen im einzelnen sind, das liegt natürlich an der Bereitschaft der jeweiligen Stellen und Institutionen, die sich bietenden Chancen auch wirklich zu nützen - veraltete Angaben sind auf Papier genauso schlecht wie im Internet, schlecht betreute Webserver mit nicht funktionierenden Links und langsame Verbindungen ein Ärgernis, das leider nicht ganz selten auftritt.
Was wir bisher erörtert habe, erleichtert die konventionelle Form einer Reisevorbereitung, stellt aber noch keinen Systembruch dar, wie er in den Medien und auch öffentlichkeitswirksamen pädagogischen Verlautbarungen immer wieder erwartet, gefordert oder gefürchtet wird. Doch in konsequenter Anwendung können Internet und Computer sowohl das Unterrichtsgeschehen als auch die Unterrichtshierarchien verändern.
Man muß kein Revolutionär sein, um zum Beispiel für die Vorbereitung einer solchen Romfahrt zahlreiche Möglichkeiten zu sehen und zu befürworten, mit denen die Schüler zur Eigentätigkeit animiert werden können: Eines der größten Probleme, die der Neuling mit der Stadt Rom hat, ist die Fülle der optischen Eindrücke, die Ungleichzeitigkeit der Bauten von den Hütten des Romulus bis zur Gegenwartsarchitektur der Stazione Termini und die Aufgabe, aus dem trümmerhaften Zustand vor allem des Forum Romanum und der Kaiserforum vor dem geistigen Auge den Glanz der römischen Kaiserzeit entstehen zu lassen. Die begeisterungsfähige Erzählung, wohl auch das Führungsreferat ist das eine, nicht zu ersetzende Mittel, aber es gibt mittels Internet auch weitere Möglichkeiten - ich schlage hier keineswegs dogmatisch ein dreistufiges Vorgehen vor:
1. einen Besuch bei der Sammlung alter Photographien des Aeria-Projekts, das von meinem Erlanger Kollegen Martin Boss betreut wird (http://www.phil.uni-erlangen.de/~p1altar/photo_html/topographie/italien/rom/ebene4.html);
2. einen virtuellen Rundgang durch eine Computeranimation - besonders geeignet und üblicherweise auch hinreichend schnell ist das Angebot von AncientSites: im Vergleich von Realität und Rekonstruktion wird so manches klar - http://www.ancientsites.com/as/rome/academy/tours/index.html;
3. schließlich einen gemeinsamen Blick auf ausgewählte Rekonstruktionen, die von capitolium.org zur Verfügung gestellt werden: http://www.capitolium.org/ita/virtuale/virtuale.htm
Ich könnte mir für 1. gezielte Arbeits- und Beobachtungsaufträge vorstellen, etwa welche Ruinen heutzutage noch gut sichtbar sind, welche Bauwerke verschwunden sind (auch im Vergleich mit historischen Karten), sodann sollte sich jeder Schüler allein durch die virtuellen Straßen des antiken Rom bewegen und zuletzt, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, kann man auf einer Großdarstellung gemeinsam die Rekonstruktionen einzelner Bauwerke betrachten und dabei über das Verhältnis von Phantasie und Realität reflektieren.
Oder man schreibt einen Wettbewerb aus, welcher Schüler die beste Fahrt- und Rundgangsroute zu bestimmten Besichtigungszielen am besten zusammenstellen kann - oder es werden die Veranstaltungskalender nach Konzerten, Kinoaufführungen etc. durchstöbert.
Und am Ende kann dann neben der Niederschrift im Jahresbericht auch eine WWW-Präsentation stehen, die nicht nur Texte, sondern auch Farbbilder oder gar kurze Videofilme und Musikstücke enthalten kann.

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© Progetto TELEMACO/TELEMACHOS 2000-2003 Letzte Änderung: 27. April 2003