Das WorldWideWeb, das Gewebe, das die Welt umspannt und sie enthält, ist,
wenn schon nicht in seiner techischen Realisierung, so doch in der zugrunde
liegenden inhaltlichen Idee keineswegs ein Produkt unserer Tage (Il.
3,121-128):
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Iris aber wieder kam zu Helena, der weißarmigen, als Botin,
Gleichend der Mannesschwester, der Gattin des Antenor-Sohns,
Die der Antenor-Sohn hatte, der gebietende Helikaon:
Laodike, unter des Priamos Töchtern die an Aussehen beste.
Die fand sie in der Halle: sie webte an einem großen Gewebe,
Einem doppelten, purpurnenen, und wirkte viele Kämpfe hinein
Der Troer, der pferdebändigenden,und der erzgewandeten Achaier,
Die sie um ihretwillen ertrugen unter des Ares Händen.
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Der Peplos, den Helena in Homers Ekphrasis knüpft, besteht aus vielen mit
einander verbundenen Fäden, die insgesamt die Basis dafür bilden, daß ein
zweidimensionales Abbild der Realität entstehen kann - das Geschehen, das
die Existenz der Menschen in Troia und damit auch das der Helena prägt.
Schon die antike Homerdeutung sah in dieser Stelle eine Metapher für die Tä-
tigkeit des Dichters (Schol. Il. vet. 3.126-7)
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Gewebe und Netz sind also für solche Verknüpfungen von alters her gängige
Metaphern. Im Falle des Terminus "Internet" bezeichnen sie die weltweite
Verbindung von Computern, die gleichberechtigt miteinander über alle
Ländergrenzen hinweg kommunizieren und durch das sog. "Internetprotokoll"
eine gemeinsame Verstehensbasis haben. Das Internet stellt nun seinen Benut-
zern eine Reihe von Diensten zur Verfügung, die diese je nach technischer
Ausstattung und Interessenslage nützen können - ich verweise auf das kleine
Glossar im Handout:
1. |
wohl am bekanntesten und populärsten: Email, die elektronische Post,
deren Adressenverknüpfung @ inzwischen zur Ikone des neuen
Computerzeitalters und der davon profitierenden Werbe- und Medienbranche
geworden ist.
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2. |
das WorldWideWeb - und hier ist das zweite Mal die Metapher vom Gewebe
aufgegriffen - eine gerade mal ein Jahrzehnt alte Erfindung, die es
gestattet, Bilder und Texte (und Töne) über das Internet zu transportieren -
das WWW erst hat das Internet von einer wenigen Eingeweihten vorbehaltenen
Technik zu einem Massenphänomen gemacht hat (17 Millionen Surfer werden
derzeit in Deutschland geschätzt). Zwei Programme beherrschen heute den
Markt, der Navigator bzw. Communicator von NetScape sowie der InternetExplorer von Microsoft, sie setzen die zugrundeliegende Beschreibungssprache HTML
- Hypertext Mark-Up Language - in eine allgemein lesbare Darstellung. |
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Außer der Möglichkeit, vielfältige Formen von Informationen zu übermitteln, hat zu diesem Erfolg auch die leichte Bedienbarkeit des WWW beigetragen, die auf dem sog. Hypertext-Prinzip beruht. Das heißt: auf einer Verknüpfung, die den Oberflächentext - durch Mausclick - mit anderen Textebenen in Verbindung setzt. Diese Verknüpfungen können entweder auf weitere, vom jeweiligen Autor geschaffene Seiten führen oder auf beliebige andere, im WWW weltweit zur Verfügung stehende Seiten.
Das sei an unserer Homerstelle in einem Gedankenspiel exemplifiziert:
1. |
Ein Klick auf Helena, und wir erfahren alles über das Nachleben der
schönsten Frau der Antike - vom troianischen Krieg (z.B.) und den attischen Tragikern (z.B.) über Ovids Heroides
bis hin zu Fausts klassischer Walpurgisnacht, wobei ein weiterer Klick auf
das Stichwort "Goethe", das sich aus dem Faust ergibt, uns weit aus dem
Gedankenkreis der Antike führen wird.
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2. |
Ein Klick auf Ares kann etwa zu einer Darstellung der antiken Mythologie
führen, aber auch zu einem Bilddarstellung aus antiker oder nachantiker
Zeit, aber über den römischen Mars auch zu einer Darstellung des
Planetensystems oder der Astrologie.
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3. |
Ein Klick auf Gewand läßt uns etwa auf eine Seite über die Kulturgeschichte der antiken Webkunst gelangen- und so weiter ad infinitum. |
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Wagt man ein gar nicht so fern liegendes Gedankenexperiment, so läßt sich
ein System von hypertextuellen Querverweisen denken, so daß das gesamte im
WWW vorhandene Wissen miteinander verbunden wird und den unterschiedlichsten
Frageintentionen problemlos - und kostenlos - zur Verfügung steht. Es sind
eigentlich keine technischen Grenzen, sondern nur ein Mangel an Mitarbeitern
- in unseren Disziplinen fast immer: unbezahlten Mitarbeitern -, die der
Realisierung dieser Utopie Grenzen setzen. Einen Ausblick darauf, was aber
möglich wäre, stellt das an der amerikanischen Tufts University entstehende
Perseus-Projekt dar, das eine geradezu atemberaubende Vernetzung von antiken
- griechischen - Texten, Erläuterungen, Bilddokumenten und lexikalischen
Erklärungen bietet, ja das z.B. zu jedem Wort, das in den Originaltexten
erscheint auf Mausklick den Eintrag im Lexicon von Liddell-Scott-Jones zeigt
und damit sogar den Gang ans Regal und die Nachschlagearbeit erspart. Für
den lateinischen Bereich sind ebenfalls bereits einige Texte - darunter
Ovids Metamorphosen oder Vergils Aeneis aufgearbeitet, wobei die Aeneis
sogar mit dem antiken Kommentar des Servius verknüpft ist. Als Lexikon liegt
hier das bewährte Werk von Lewis&Short zugrunde.
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Nach diesen vielleicht zu Euphorie veranlassenden Worten sei aber gleich
noch Warnendes angefügt, um Enttäuschungen zu vermeiden. Das WWW ist in
seiner heutigen Gestalt und wohl auch noch in näherer Zukunft weit davon
entfernt, alle bisher ungelösten Probleme schnell, einfach, effektiv und
umfassend zu beseitigen - zu lückenhaft ist noch das tatsächlich für das
Internet aufgearbeitete Wissen, zu langsam sind immer noch die Verbindungen,
zu flüchtig sind immer noch die einzelnen Seiten, so daß manch
vielversprechender Link von einem Tag auf den anderen in das Nirwana des
Cyberspace führt - und schließlich: weil es so einfach ist, Texte ins WWW zu
stellen und weil das WWW sich weitgehend traditionellen Hierarchien
verweigert, gibt es auch so gut wie keine Qualitätskontrolle, d.h. es stehen
- gelinde gesagt - fragwürdige Informationen neben Seiten von höchstem
wissenschaftlichem und didaktischem Wert. Abhilfe können hier nur weiteres
Institutionen im WWW bilden, so die altertumswissenschaftliche Suchmaschine
Argos, die nur Angebote erfaßt, die von den insgesamt zehn Associate Sites,
darunter meine Kirke, aufgelistet und für qualitätvoll gehalten werden. Ein
anderer Versuch ist das im Entstehen befindliche
Telemachos-Projekt, das in Kooperation zwischen den Universitäten Bologna
und Erlangen (jetzt HU Berlin) betrieben und das eine Datenbank mit bewerteten Einträgen intendiert.
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Und noch ein wichtiger Aspekt: Das Internet gebärdet sich zwar bisweilen
recht anarchistisch, ist aber kein rechtsfreier Raum, wie nicht nur die
spektakulären Prozesse um Pornographie und rechtsradikale Propaganda zeigen,
sondern - alltagsnäher - auch die Tatsache, daß das Urheberrecht
selbstverständlich auch hier gilt, daß also Texte, Bilder und Töne genauso
verwendet oder nicht verwendet werden dürfen, als wenn sie konventionell
publiziert wären. Besonders problematisch ist es, solche Materialien auf
eigenen WWW-Seiten zu präsentieren, auch wenn das etwa im Rahmen eines
Schulprojekts geschieht, weil solche Seiten üblicherweise auch über den Bereich der Schule hinaus zugänglich sind.
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