KIRKE | Antike-Lexikon für Schule und Studium: S | Telemachos |
A | | | B | | | C | | | D | | | E | | | F | | | G | | | H | | |
I | | | K | | | L | | | M | | | N | | | O | | | P | | | Q | | |
R | | | S | | | T | | | U | | | V | | | X | | | Y | | | Z | | |
Autoren |
Sapphischer Elfsilbler Saturnalia Saturnier Scheidung Schimpfwörter Schisma Scholastik Scipio Seidenstraße Selene Sella gestatoria Sella portatoria Semiramis Senat/Senatorenstand Septem artes liberales |
Schimpfwörter I. Theoretische Grundlagen Die streitende Auseinandersetzung gehört zu den elementaren Grunderfahrungen menschlicher Existenz. Mit der Entwicklung des Sprechvermögens und der Zivilisation ist zunehmend an die Stelle der bedrohlichen Mimik und Gestik die sprachliche Äußerung getreten. Sie bedeutet einerseits den Abbau emotionaler Spannung, aber andererseits auch die (sublimierte) Verletzung des Gegenübers (Scheffler 104 mit weiterer Lit.), stellt also insofern eine aggressive Handlung dar und nicht nur deren „Widerspiegelung“ (Fink 12). Denn als Schimpfwörter gehen Wörter weit über das hinaus, was sie eigentlich bezeichnen (Fink 144). In diesem Sinne forderte schon das Zwölf-Tafel-Gesetz in Tabula VIII für Verbalinjurien Strafen von 25 Assen bis zur Prügelstrafe (D. Flach, Das Zwölftafelgesetz – Leges XII tabularum, Darmstadt 2004, 210f.>: qui malum carmen incantassit […]; si iniuriam faxsit, viginti quinque poenae sunto. Ebenso erkennt das Neue Testament, Mt 5,22, die Beschimpfung, insbesondere die Verwendung von Schimpfwörtern, als ahnenwertes Delikt an: quia omnis, qui irascitur fratri suo, reus erit iudicio. Qui autem dixerit fratri suo: raca, reus erit concilio. Qui autem dixerit: fatue, reus erit gehennae ignis. Letztlich verbieten auch das Alte Testament (Ps. 15,3: qui non est facilis in lingua sua neque fecit amico suo malum et obprobrium non sustinuit super vicino suo) und der Talmud in verschiedenen Zusammenhängen die Schmähung eines Gegenübers durch verbale Verletzungen (Shmidman, 807f). Alle diese Dokumente lassen erkennen, dass das Schimpfwort wegen seines intensiven emotionalen Charakters schon in der Antike als Taten ähnlich eingestuft wurde (Marten-Cleef, 49/59 u. 309/37). Denn es hatten sich schon früh spezifische sprachliche Ausdrucksformen herausgebildet, für die in der Linguistik drei Elemente konstitutiv sind: Sprecher, Adressat und Mitteilung, denen ihrerseits mit Kundgabe-, Appell- und Mitteilungsfunktion drei Leistungen des Wortes zugeordnet werden (Opelt, Schimpfwörter 15 u. Scheffler 104f). Während in dieser Perspektive neben der Sprechermotivation auch die Rezeption auf Seiten der Appellierten und die pejorative Lexik überwiegende Beachtung finden, akzentuiert die Linguistik diese Definition, indem sie den Normen einer Gesellschaft größere Beachtung schenkt. Schimpfwörter nehmen also in einer Gesellschaft verbreitete Rollenerwartungen sowie „Machtverhältnisse und Unterdrückungsmechanismen“ auf und setzen sie „für sprachliche Handlungen begrifflich“ um (Hornscheidt 33). In diesem Konzept ist der jeweils situative Kontext dafür verantwortlich, ob ein Wort zum Schimpfwort wird. Es stellt demnach keine semantisch bestimmbare Größe dar, vielmehr liegt das Schimpfende in der konkreten Verwendung einzelner Wörter oder Wortgruppen innerhalb eines Handlungszusammenhangs und im gesellschaftlichen Bezugsrahmen. Das Schimpfwortrepertoire wird aber auch definiert von sozialer Schicht, Alter und Geschlecht der Akteure (Scheffler 120). Folglich machen disqualifizierende Substantive und Adjektive, deren Substantivierung, die Beifügung von ausschmückenden Epitheta einschließlich ihrer Komparation, alle sonstigen Formen attributiver Erweiterung, die Kumulation von Synonymen, Diminutiva sowie vielfältige Junkturen, herabsetzende Vergleiche, Antithesen, Metonymien und sogar ganze Sätze das Korpus der Beschimpfungen in jeder Epoche der Menschheitsgeschichte aus; in ihrer jeweiligen Konstellation sind sie zudem imstande, Steigerungen oder Abschwächungen einzelner Schimpfwörter zu bewirken (Scheffler 105f). Mit dem Begriff Pejorisierung wird der empfundenen Kränkung der Appellierten und der beabsichtigten Intention der Sprecher als strukturelle Diskriminierung (Hornscheidt 33) ein Maßstab an die Seite gestellt, der das Ausmaß der Beschimpfung aus der Rolle eines Zuschauers festzulegen versucht (Scheffler 119 mit weiterer Lit.), ein Umstand, der besonders im Blick auf die antiken Schimpfwörter Geltung hat, da sie wegen ihrer Schriftlichkeit nur noch aus dieser Perspektive wahrnehmbar sind. Die Altertumswissenschaft verwendet auf der Grundlage dieses Modells für die lediglich in literarischer Verarbeitung auf uns gekommenen Formen des Scheltens den Begriff Invektive. Sie wird von Koster definiert als „eine strukturierte literarische Form, deren Ziel es ist, mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person öffentlich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persönlichkeit herabzusetzen“ (Koster 39). Also auch in schriftlichen Äußerungen werden Bezeichnungen und Begriffe erst in Kontexten zu Schimpfwörtern und Schimpfnamen. Sie werden von Opelt definiert als „die nominale prädikativische Feindanrede oder Feindbezeichnung normenbezogen-negativen Inhalts, die in beleidigender Absicht geschieht und in der sich zugleich die Erregung des Schimpfenden löst“ (Opelt, Schimpfwörter 18). „Die Wortwahl des Schimpfenden erfolgt dabei im Hinblick auf einen Wertmaßstab, dessen Anwendung auf den Beschimpften für diesen ungünstig, entehrend, beleidigend ist“ (Opelt, Schimpfwörter 18 u. Scheffler 119f). Neuerdings ist in der christlichen lateinischen Literatur der Schelttypus der Anti-Panegyrik als Parodie der imperialen Herrscherpanegyrik identifiziert worden (Humphries 201/23, bes. 215f.). In den Texten, in denen das Schelten der Antike überliefert wird, lassen sich immer wiederkehrende Typen verschiedener Stilhöhe und affektiver Intensität feststellen. Ihre sprachliche Form entspricht dabei der allgemeinen Deskription. Sie lassen sich außerdem unterscheiden nach 1) unverschuldeten Eigenschaften, 2) zu verantwortendem Verhalten und 3) gemischten Kategorien. Charakteristische Beispiele werden in der folgenden Kategorisierung ohne Stellenangaben (mit Ausnahme des Alten Testaments) und ohne inhaltlichen Kontext genannt. Denn eine abstrahierende Strukturierung des umfangreichen Vokabulars verbietet den Bezug auf individuelle inhaltliche Zusammenhänge, die in der zitierten Literatur mit Stellennachweisen leicht zugänglich sind. Zu den Kategorien eins bis drei zählen im Einzelnen: 1a) körperliche Mängel oder Einschränkungen, 1b) intellektuelle Defizite, 1c) soziale Diskriminierungen, 2a) unmoralisches Verhalten, 2b) sexuelles (Fehl)Verhalten, 2c) Verstöße gegen Gesetz, Tradition, Religion und staatliche Ordnung, 2d) Maßlosigkeit in der Lebensweise, in der Literatur der Christen 2e) religiöse Disqualifizierungen 3a) Metaphern, 3b) Metonymien, 3c) ironische Disqualifizierungen, 3d) Satzschimpfwörter und im AT diskriminierende Fragen, 3e) unspezifische Disqualifizierungen und in der christlichen lateinischen Literatur 3f) Solidarisierungsadjektive. II. Die Schimpfworte Für den Bereich des Griechischen liegen bis heute noch keine der lateinischen Sprachwissenschaft vergleichbaren modernen Monographien vor, die eine umfassende Durchdringung der Thematik und einen entsprechenden Überblick bieten (Schmitz, Basilius 233), sieht man einmal von dem älteren Werk Hoffmanns ab, das aber das gesammelte Material unter semantischen Aspekten klassifizierte und nur wenig strukturierte. Vielmehr ist man einstweilen auf eine größere Zahl von Einzeluntersuchungen angewiesen (zu Andokides, Apollonius Rhodius, Aristophanes, Athanasius, Basilius, Gregor von Nazianz, Homer, Hypereides, Isaios, Lysias, Plutarch, Zosimos und den griechischen Übersetzern des AT, um ein Bild der verbalen Polemik im Griechischen zu formen. Diese Einzelstudien verwenden als strukturierende Kriterien z.T. auch sprachliche Kategorien wie die Wortarten, die Intertextualität, indem sie die Herkunft der Schimpfworte aus Prätexten bzw. deren kulturelle Transformationen untersuchen (Opelt, Supplemente 50/66; Schmitz, Gregor von Nazianz 189/202) oder die Adressaten in ihren verschiedenen Rollen, etwa die spätantiken Kaiser als Privatpersonen oder in ihrer Funktion als Herrscher als Objekte der Polemik in ihren Mittelpunkt stellen (Leven 177/97; Flower, 78/126). Auf dieser heterogenen Basis ergibt sich folgendes Gesamtbild: In der Epen Homers und bei den attischen Rednern, vor allem bei Andokides und Lysias, finden sich alle genannten Kategorien des Scheltens (Opelt, Gefühlsworter 170/90, dies., Lysias 571/84, dies., Andokides 212/18 u. dies., Supplemente 50/66). Bei diesen Autoren stehen die moralische Disqualifizierungen (2a) (πονηρόϛ, τολμηρόϛ, μιαρόϛ u.a.) im Vordergrund, aber ebenso begegnen wie bei Hypereides und Plutarch Angriffe auf Verstöße gegen Gesetz, Tradition und staatliche Ordnung (2c) (ἀνδροφόνοϛ, βίαιοϛ, φονεύς, τύραννος), religiöse Disqualifizierungen (2e) (ἱεροσύλοϛ), der Vorwurf der Maßlosigkeit in der Lebensweise (2d) (ἀσελγῶϛ διακείμενοϛ) und soziale Diskriminierungen (1c) (δοῦλοϛ, δημόσιοϛ, Αἰγύπτιος). Außerdem kommen Metaphern (3a) (φάρμακον, ἀλιτήριοϛ), Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens (οὐχ ὡϛ ἀδελφόϛ…ἀλλ᾿ ὡϛ ἀνὴρ ἐκείνηϛ), mangelnder Bildung (1b) (ἀπαίδευτος), Ironie (3c) (καλοὶ οὗτοι καὶ ἀνθηροὶ πυρριχισταί) und Satzschimpfwörter (3d) hinzu. Reichlichen Gebrauch von Metaphern (3a) macht nach Opelt auch Aristophanes (βορβοροτάραξ, γλοιός); ebenso benutzt er in seinen Komödien verächtliche Berufsbezeichnungen (1c) (τελώνηϛ, βυρσοδέψηϛ, κυρηβιοπώλης, ῥακιοσυφραπτάδης), Metonymien (3b) (Ἀγαμέμνων, Παφλαγών), und „scherzhafte, oft überlange Neubildungen, die, prall anschaulich, unverwechselbar aristophanisch, oft keine Nachfolge gefunden haben“ (Opelt, Lysias 582). Dieses spezielle scheltende Vokabular fügt sich trotz seiner Situationsgebundenheit in die dargestellte Klassifizierung ein, wie die folgenden Beispiele belegen: 1a: ναννοφυής; 1b: βλιτομάμμιας, βεκκεσέληνος; 2a: μῶρος, πτωχοποιός; 2b: καταπύγων, εὐρύπρωκτος; 2c: τυμβωρύχος; 2d: γαστίμαργος; 3c: γαστρίς, γλάμων. Dieselbe Kategorisierung des scheltenden Vokabulars lässt sich auch im heidnischen Geschichtswerk des Zosimos am Beginn des 6. Jhs. nachweisen (Leven, 177/197), wenn er etwa die Kaiser Caligula, Commodus, Maximinus Thrax, Carinus und Maxentius τύραννος (2c) nennt, Theodosius und Arcadius der Torheit (1b) (ἀνόητος) und der Maßlosigkeit (2d) (τρυφὴν δὲ καὶ ἐκμέλειαν τῆς βασιλεῖας προοίμια ποιησάμενος), Constans der Homophilie (2b) (βαρβάρους εὐπροσωπους ὠνοῦμενος), Constantin der Gottlosigkeit (2e) (ἀσεβής), Maximinus Thrax (γένους ὢν ἀφανοῦς) und Philippus Arabs (ἐξ ἔθνους χειρίστου) der sozial niedrigen Herkunft (1c) und Constantius II. der Treulosigkeit (2a) (ἄπιστος) bezichtigt. In der paganen lateinischen Literatur sind es im Wesentlichen drei Literaturgruppen, die Auskunft über Schimpfwörter geben: 1. Komödien und Elegien mit ihren typischen Themen etwa von Liebe und Hass, dem Verhältnis von Vater und Sohn, Herr und Sklave, Lehrer und Schüler, dann Ausdrücke aus dem sozialen Umfeld, also von Sklaven untereinander, gegenüber bestimmten Berufen und Rängen in der Gesellschaft wie z.B. Kuppler, Geldverleiher, 2. politische Auseinandersetzungen und Gerichtsreden mit ihren Angriffen auf politische Gegner bzw. vor Gericht auf Angeklagte und sonstige Verfahrensbeteiligte der Gegenseite, 3. Geschichtsschreibung, Epik und Biographien mit Beschimpfungen in kriegerisch-militärischen und literarischen Zusammenhängen sowie solche der eigenen Person, fremder Ethnien, von Tieren, Gegenständen und Göttern. Eine vollständige Übersicht über das Korpus lateinischer Schimpfwörter mit den entsprechenden Nachweisen findet sich bei Opelt (Schimpfwörter 266/83). Wie bei den Griechen betreffen sie: 1a) körperliche Mängel oder Einschränkungen wie zum Beispiel Blindheit (caecus), Stummheit (mutus), Hässlichkeit (taeter), Kahlköpfigkeit (calvus), Gicht (podagrosus), Geschwüre (ulcerosus), Warzen (verrucosus) und Kastration (eunuchus) , 1b) intellektuelle Defizite wie etwa Dummheit (stultus), Einfalt (fatuus), Unerfahrenheit (imperitus), mangelnde Bildung (indoctus), Wahnsinn (furens) und Verblendung (amens), 1c) soziale Diskriminierungen (homo novus) wie die Herkunft (peregrinus), Tätigkeit (lanista, *gladiator) oder finanzielle Umstände (homo dirutus aere), 2a) unmoralisches Verhalten wie Feigheit (ignavus), Angst (timidus), Lüge, Frechheit (procax), Meineid (periurus), Faulheit (piger), mangelnde Verschwiegenheit, Treulosigkeit, mangelnde Loyalität (perfidus), Neid und Hass (invidiosus) sowie allgemeine Disqualifizierungen (improbus, nequam), 2b) sexuelles (Fehl)Verhalten wie Ehebruch (adulter), Prostitution (scortum), Schamlosigkeit (incestus, expugnator pudicitiae), sexuelle Praktiken (cunnilingus, fellator), Nymphomanie (amasiuncula), Homosexualität (*effeminatus), Tabubruch (vetitae sceleratus libidinis auctor), 2c) Verstöße gegen Gesetz (legerupa, legum contortor), Tradition, Religion und staatliche Ordnung wie Raub, Mord, scelestus, calumniator, hostis patriae, latro, raptor, parricida, necator), 2d) Maßlosigkeit in der Lebensweise, etwa Völlerei (ganeo), Trunksucht (ebrius) oder Glücksspiel (aleator), 3a) Metaphern (lutum, stercus), insbesondere Tiermetaphern (asinus), 3b) Metonymien (Cyclops, Hannibal, Ulixes), 3c) ironische Disqualifizierungen (mater pudica, Romulus, Gracchus), 3d) Satzschimpfwörter, 3e) unspezifische Disqualifizierungen (malus, nequam). Ihr Schwerpunkt liegt wie bei Homer und den attischen Rednern auf den moralischen Disqualifizierungen, in denen sich ein „spezifisch römisches Selbstverständnis“ (Fink 72f), nämlich die „Wertdeterminiertheit römischen Denkens und römischer Sprache“ (Opelt, Schimpfwörter 265) spiegelt. Auch die zahlreich verwendeten Metaphern sind nach Opelt überwiegend zu den moralischen Disqualifizierungen zu rechnen und nur zu einem geringeren Teil zu den intellektuellen Defiziten (Schimpfwörter 262/64, dazu allgem. M. Faust, Metaphorische Schimpfwörter, Indogermanische Forschungen 74 (1969) 54/125). Neuerdings hat unter Genderaspekten die germanistische Linguistik als ergänzendes Kriterium die Neutralisierung, die Entweiblichung von Frauen benannt, also die Verwendung von negativen Neutra für Frauen (vgl. dazu D. Nübling: Das Merkel – Das Neutrum bei weiblichen Familiennamen als derogatives genus? In: Fr. Debus et al. (Hrsgg.), Linguistik der Familiennamen (2014) 205/32). Bei den antiken Schimpfwörtern gehört im Bereich der lateinischen Sprache allein scortum in diese Rubrik, im Griechischen lässt sich gar kein derartiger Befund erheben, so dass die Neutralisierung hier nicht als selbständige Kategorie geführt wird. Überhaupt fallen Beschimpfungen von Frauen deutlich geringer aus, unter zehn Prozent des gesamten Korpus der paganen Literatur, als von Männern. II B. Die Schimpfworte im Alten Testament Dem talmudischen Schimpfverbot entsprechend, bestehen
Ausnahmen nur in prophetischem Schelten, das den Sinn verfolgt, Sünder wieder
auf die rechte Lebensbahn zu führen, und in Selbstbeschimpfungen. Trotz dieser Beschränkung
ist das Repertoire an biblischen Schimpfworten umfangreich. Sie lassen sich
nach denselben Kriterien kategorisieren wie die pagan-antiken Beschimpfungen,
wenngleich auf dem differenten kulturellen Hintergrund spezifische idiomatische
Akzentuierungen erkennbar werden. Als charakteristische Beispiele (in Klammern
findet sich jeweils die Übersetzung der Vulgata) können unter 1a) die
Beschimpfung der Philister als ęʿārêlīm (incircumcisi, II
Sm 1,20; Idt 15,18), der Perser als ἀπερίτμητοι
(Est 14,15) und des Volkes Israel durch Jesaja als ʿeaqārāh
lōʾ yālāḏāh lōʾ ḥālāh (sterilis,
quae non paris, quae non pariebas, 54,1) gelten. Mit dem Trikolon šāmanetā
ʿāḇytā ḵaśytā (incrassatus impinguatus
dilatatus, Dt 32,15) hatte Mose sein Volk beschimpft, spielende Kinder hatten
den Propheten Elisa despektierlich qērēḥ (calvus, IV Rg 2,23)
gerufen, Hesekiel seine Mitmenschen als ʾašęr ʿeynaîm
lāhęm līreʾôṯ welōʾrāʾû
ʾāzenayīm lāhęm līšesōʿa
welōʾ šāmēʿû (qui oculos habent ad videndum
et non vident et aures ad audiendum et non audiunt, 12,2) und Jesaja die
israelitischen Führungsschicht als ʿīwerīm (caeci,
56,10) bezeichnet. Als höchste Stufe physischer Mängel fanden in persönlichen
Streitigkeiten die Bezeichnungen ʾīš māwęṯ (vir
mortis, III Rg 2,26), ḇęn māwęṯ (filius mortis, I Sm
20,31) und mêṯêy (mortui, Is 41,14) Anwendung. Daneben begegnen aber auch
allgemein übliche Bezüge auf physische Defizite wie etwa âʾamēlālīm
(inbecilli, II Esr 4,2). Unter 1b) finden sich als typische Beispiele für intellektuelle
Defizite die Beschimpfungen nāḇāl (stultus, Prv 1,22), ʿam
nāḇāl welōʾ ḥāḵām
(popule stulte et insipiens, Dt 32,6), peṯāyīm / peṯāʾyīm
(parvuli / insipientes, Prv 1,22; 8,5), ḇaʿar welōʾ
ʾēḏāʿ (insipiens et nescius, Ps 72,22), bōʿarîm
ûḵesīlîm (stulti et insipientes, Ps 93,8), seḵālīm
welōʾ neḇônîm (insipientes et vecordes, Ier 4,22), ʿam
sāḵāl weʾēyn lēḇ (populus
stulte qui non habes cor, Ier 5,21), ʿamī ʾęwîl (stultus
populus meus, Ier 4,22), ʾaḵ ęwīlîm (stulti, Is
19,11), mešūgāʿ hazęh (insanus iste, IV Rg 9,11),
ʾęwîl hanāḇîʾ mešūgāʿ
ʾīš harûaḥ (stultus propheta insanus vir spiritalis, Os 9,7), lōʾ
ʿam bînôṯ (populus non sapiens, Is 27,11), ʿam lōʾ
yāḇîn (Populus non intellegens, Os 4,14), baʿar mēʾîš
(stultissimus virorum, Prv 30,1), ḵesîlîm (imprudentes, Prv
1,22), pōḥazîm (vesani, So 3,4), ḥaḵāmîm
lehāraʿ (sapientes ut faciant mala, Ier 4,22). Derartige Scheltworte
werden z.T. erweitert durch Vergleiche mit der Tierwelt (Ps 72,22f; Ez 13,3f; vgl.
dazu 3a), etwa mit Zugvieh oder herumschweifenden Füchsen in der Wüste. Wie bei
Römern und Griechen gilt auch im Alten Testament Fremdheit der Juden als Anlass
für Beschimpfung (1c), wenn sie etwa im Buch Esther von Aman und Artaxerxes
beschimpft werden, ungewöhnlichen Gesetzen zu gehorchen, sich gegen die
Gewohnheiten zu verhalten und die Anordnungen des Königs zu missachten (Est
13,4f; 8). Diese Beschimpfungen sind insofern von der Kategorie 2c abgrenzbar,
als hier die Kritik aus einer anderen kulturellen Perspektive erfolgt. Aber
auch Jesaja hatte ähnliche Vorwürfe gegen das eigene Volk erhoben:
haḥōqeqîm ḥīqeqē ʾāwęn
ûmeḵateḇîm ʿāmāl
kītēḇû (qui condunt leges iniquas et scribentes iniustitiam
scripserunt, 10,1). Schließlich trifft es auch der prophetische Vorwurf der
Bereicherung: hôy magîʿê ḇayīṯ beḇayīṯ
śāḏęh ḇeśāḏęh yaqerîḇû
ʿaḏ ʾęp̄ęs māqôm (qui coniungitis domum ad
domum et agrum agro copulatis usque ad terminum loci, Is 5,8) Als moralische
Disqualifizierungen (2a) lassen sich bei den Propheten beispielhaft folgende
Ausdrücke identifizieren: ṭōraḥ (molesta, Is 1,14), zāḏôn
(superbus, Ier 50,31f), gēʾ meʾōḏ
(superbus valde, Is 16,6), ḥānēp̄ ûmēraʿ
(hypocrita et nequam, Is 9,17), rēʾšîṯ ḥaṭāʾṯ
(principium peccati, Mi 1,13), gôy ḥōṭēʾ ʿam kęḇęḏ
ʿāôn zęraʿ merēʿîm bānîm mašeḥîṯîm
(gens peccatrix populus gravi iniquitate semini nequam filii scelerati, Is 1,4),
ḥōšēḇ ʿal yehwāh
rāʿāh yōʿēṣ belīyāʿal
(cogitans contra Dominum malitiam mente pertranctans praevaricationem, Na 1,11),
gôy ḥānēp̄ (gens fallax), yīleḏê p̄ęšaʿ
zęraʿ šāqęr (filii scelesti semen mendax, Is 57,4), bāḡôḏāh,
bōḡēḏāh (praevaricatrix, Ier 3,7; 10f), p̄ôšeʿîm
(praevaricatores), mešūḇāh (aversatrix, Ier 3,6; 8;
11f), maṯeʿîm (seducentes, Is 9,16), sôrerīm
(recedentes, Os 9,15), ʾīš mešūgāʿ ûmīṯenabēʾ
(vir arrepticius et prophetans, Ier 29,26), merî (inritatores, Ez
2,8), bānîm sôrerīm (filii desertores, Is 30,1), sôrerīm
weḥaḇerē gānāḇîm
(infideles socii furum, Is 1,23), ʾanešê lāṣôn (viri
inlusores, Is 28,14), ḇêṯ hamerî (domus exasperatrix, Ez
2,8). In der Thora und in den Ketubim begegnen als moralisch
disqualifizierende Scheltworte: ʿāṣēl (piger, Prv 6,6), merē‘îm
(maligni, Ps 118,115), ʾīš habelīyaʿal
hazęh (vir iste iniquus, I Sm 25,25), p̄ōʿalê ʾāwęn
(qui operamini iniquitatem, Ps 6,9), hāʿām kî ḇerāʿ
hûʾ(populus iste quod pronus sit ad malum, Ex 32,22), ṭōp̄elê
šāqęr rōp̄eʾê ʾęlîl kūleḵęm
(fabricatores mendacii et cultores perversorum dogmatum, Iob 13,4), dôr tahep̄ūḵōṯ
bānîm lōʾ ʾēmūn bām (generatio perversa et
infideles filii, Dt 32,20), dôr ʿīqēš ûp̄eṯaletōl
(generatio prava atque perversa, Dt 32,5), dôr sôrēr ûmōręh (generatio
prava et exasperans, Ps 77,8), zęh sôrēr ûmōręh (iste
protervus et contumax, Dt 21,20), bęn naʿaraṯ hamaredûṯ
(fili mulieris virum ultro rapientis, I Sm 20,30), ʾōrēḇ
(insidiator, I Sm 22,13), ʾanāšîm rēqîm benê belīyāʿal
(viri vanissimi et filii Belial, II Par 13,7), ʾīš ḏāmîm, ʾīš
hadāmîm weʾīš habelīyāʿal (vir
sanguinum et vir Belial, II Sm 16,7), ʾanešê ḏāmîm
(viri sanguinum, Ps 138,19), bęn hamēraṣēaḥ hazęh
(filius homicidae hic, IV Rg 6,32), hōrēḡ ʾaḏōnāyn
(qui interfecit dominum suum, IV Rg 9,31), gôy ʿaz p̄ānîm (gens
procacissima, Dt 28,50). Zu den Vorwürfen sexueller Verfehlungen (2b) zählen
die Schimpfworte ʿęrewah (ignominiosa, I Sm 20,30), qelôn
bêṯ ʾāḏōnę̄ḵā
(ignominia domus Domini tui, Is 22,18). Zur Kategorie 2c gehören Schimpfworte
wie rāšāʿ (impius, II Par 19,2; Iob 9,29; 34,18; Ier 30,23; Ez
33,8; ), ḥālāl (profanus, Ez 21,25), mīrešaʿaṯ
(impiissima, II Par 24,7), ḇenê merî (rebelles
filii, Nm 17,10), mamerîm (rebelles, Dt 9,24), mōrîm (rebelles
et increduli, Nm 20,10), bānîm šôḇāḇîm (filii revertentes,
Ier 3,14; 22), gôyīm hamôreḏîm ʾašęr
māreḏû ḇî hēmāh (gentes apostatrices quae
recesserunt a me, Ez 2,3), ʿām sôrēr hahōleḵîm
hadęręḵ lōʾ ṭôḇ ʾaḥar
maḥešeḇōṯêhęm (populus
incredulus qui graditur in via non bona post cogitationes suas, Is 65,2),
ʿām merî hûʾ bānîm kęḥęšîm
bānîm lōʾ ʾāḇû šemôaʿ (populus
ad iracundiam provocans et filii mendaces et filii nolentes audire legem Domini,
Is 30,9), ḥōzîm šāweʾ weqōsemîm
lāhęm kāzāḇ (videntes vana et divinantes mendacium,
Ez 22,28), ʿām tōʿê lēḇāḇ hēm wehēm
lōʾ yāḏeʿû ḏerāḵāy
(populus errans corde et non cognoscens vias meas, Ps 94,10f), ḥaḇûr
ʿaṣabîm (particeps idolorum, Os 4,17), ʾīš temeʾ
śep̄āṯayīm (vir pollutus labiis, Is 6,5), tāmeʾ
(polluti, Lam 4,15), ʾęręṣ lōʾ meṭōhārāh
hîʾ lōʾ ḡūšemāh beyôm zāʿam
(terra inmunda et non conpluta in die furoris, Ez 22,24), ʿîr hadāmîm
(civitas sanguinum, Ez 24,6; 9), ʿîr ḏāmîm kūlāh kaḥaš
p̄ęręq (civitas sanguinum universa mendacii dilaceratione plena,
Na 3,1), ʿîr šep̄ęḵęṯ ḏām
beṯôḵāh (civitas effundens sanguinem in medio sui, Ez 22,3), meraṣeḥîm
(homicidae, Is 1,21), kerēṯîm (interfectores, Ez 25,16), mōreʾāh
wenīḡeʾālāh hāʿîr hayônāh
(provocatrix et redempta civitas columba, So 3,1, vgl. dazu M. Wissemann, Jonah gleich Taube? Zu vier
Vulgataproblemen, Glotta 64, 1986, 34-48. II.C. Die Schimpfworte der Christen Bei den bislang untersuchten christlichen griechischen Autoren zeigt sich, dass sie nicht nur eine Kontinuität des Vokabulars (Leven, 186f), sondern auch der Kategorien an den Tag legen (Schmitz, Basilius 235), wenn etwa Athanasius Arius und seine Anhänger mit den Schimpfworten τυφλός (1a), ἀνόητος, ἄφρων, ἀπαίδευτος (1b), δόλιος, φιλόνεικος (2a), λῃστής (2c), ἄθεος, ἀσεβής, χριστόμαχος (2e), ὄφις, κύων, χοῖρος – Metaphern, die auch Epiphanios von Salamis mehrfach im Kampf gegen die Häresien verwendet - und einmalig in der christlichen Literatur mit σηπία (3a) und Σωτάδειος (3b) belegt (Schmitz, Athanasius 308/20). Auch bei Basilius finden sich gegenüber Eunomius zu 1b mit ἀνόητος, ἀμαθής und μάταιος, zu 2e ähnliche oder gleiche Schimpfwörter, zu 2a ψεύστης, ψευδής und ἄπιστος – auch von Epiphanius reichlich verwendete Prädikationen -, zu 2b πόρνη, - bei Epiphanius begegnet eine πολύκοινος πόρνη - Metaphern (3a), Ironie (3c) (σοφός, ἄμαχος καὶ δεινὸς λογογράφος) (Schmitz, Basilius 233/42). Der gleichen Kategorisierung folgend nennt Gregor von Nazianz Julian ironisch (3c) φιλοσοφώτατε καὶ γεναιότατε, mit Tiermetaphern (3a) in Anlehnung an AT und NT ὄφις, σκόρπιον und ὗς – auch bei Epiphanius nachweisbar - und in Bezug auf Ezechiel wie Augustinus ἀποστάτης (2c). Ebenso begegnet der Vorwurf der Gottlosigkeit (2e) (ἀσεβέστατος πάντων καὶ ἀθεώτατος, μισόχριστος), der moralischen Verwerflichkeit (2a) (δουλοπρεπὴς καὶ ἀγεννής), des Verstoßes gegen Gesetze und staatliche Ordnung (2c) (φονεύς, bzw. nach den LXX φονευτής – beide auch bei Epiphanius -, τύραννος wie bei Hilarius von Poitiers) und der mangelnden Bildung (1b) (ἀνόητος, εὐήθης). Als soziale Diskriminierung (1c) verwendet Gregor die Bezeichnung πύκτης κακός (Schmitz, Gregor von Nazianz 189/202). In der christlichen lateinischen Literatur begegnen Schimpfwörter im Neuen Testament, vor allem aber als Invektiven in Apologien, als Kaiserschelte (Humphries 201/223) und in der theologischen Auseinandersetzung um die wahre Lehre (Flower 127/77). Sie knüpfen in ihrer Diktion wegen der an Cicero, Plautus und Terenz geschulten Verfasser bzw. Übersetzer oft an den politischen Kampf der Republik und an die Komödie an (Opelt, Hieronymus 106 u. 169; Polemik 233; allgemein dazu Chr. Gnilka (Hrsg.) Chresis I (20122) u. Chresis II (1993) und P. Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung (2007)). Deshalb kann Hieronymus von einem Traum berichten, in dem er als göttlichen Vorwurf vernahm, Ciceronianus es, non Christianus: ubi enim thesaurus tuus, ibi et cor tuum, Ep 22 (30) (N. Adkin, Hieronymus Ciceronianus: Latomus 51 (1992) 408/20). Auch Augustinus musste sich gegen die gleiche Anschuldigung verteidigen. Aber trotz vorgeblicher Abkehr von der paganen Antike, die er mit den Worten: Melius est reprehendant nos grammatici quam non intellegant populi (enarrationes in ps. 138, 20) begründete, übernahm er doch von Cicero seit seiner Tätigkeit als Anwalt in Karthago und später als Rhetoriklehrer in Mailand zu gern dessen scheltendes Vokabular (G. Devoto, Geschichte der Sprache Roms (1968) 278). Bei Athanasius von Alexandria, Hilarius von Poitiers und Lucifer von Calaris begegnet eine Erweiterung dieses klassischen Repertoires in der Rezeption der Literatur der Verfolgungszeit und beider Testamente mit der ihnen eigenen Idiomatik und Metaphorik (Opelt, Lucifer von Calaris 201; Flower 125; 183; 220/29). Nur noch wenig ciceronische Beeinflussung des Vokabulars findet sich bei Prudentius (Opelt, Claudian 135). Die biblischen Elemente der Polemik speisen sich vor allem aus den Übersetzungen von Altem und Neuem Testament ins Lateinische, zunächst also aus der Vetus Latina, dann nach 382 aus der Vulgata. Das Korpus der dort ermittelten Beschimpfungen (Wissemann 194/211) umfasst alle genannten Kategorien, trägt aber oft das Kolorit der hebräischen Sprache und ihres kulturellen Umfelds (St. Rebenich, Jerome: The "vir trilinguis" and the "Hebraica veritas": VChr 47 (1993) 63f; G.Q.A. Meershoek, Le Latin biblique (1966) 241f), enthält also zahlreiche Hebraismen (Wissemann, 152/54), wie z.B. dura cervice, incircumcisi, filia Babylonis misera etc. Im Fall des Alten Testaments scheinen auch Anklänge an seine griechischen Übersetzungen: Septuaginta, Aquila, Symmachus und Theodotion durch bzw. im Neuen Testament an die griechische Urfassung. Gleichwohl brachte Hieronymus auch hier bei seiner Revision überwiegend klassisch-lateinisches Vokabular ein (K. Smolak, Hieronymus als Übersetzer: Ianus 27 (2006) 25/32). Im gesamten Repertoire an Schimpfworten der Spätantike begegnen dieselben Kategorien wie in der paganen Literatur. Dabei lässt sich feststellen, dass intellektuelle Mängel (1b) und moralische Disqualifizierungen (2a) den größten Teil ausmachen, gefolgt von ironischen Disqualifizierungen (3c) wie z.B. egregius, immaculatus, castissimus, casti et mundi homines, mysteriarches, summus magus; ebenso finden Metaphern in der Tradition „der anthropomorphen Tierpsychologie der Antike“ (Opelt, Hieronymus 173) reichliche Verwendung. Hingegen verlieren sexuelles (Fehl)verhalten (2b), Maßlosigkeit (2d) wie die neutestamentlichen Ausdrücke homo vorax et potator vini / homo devorator et bibens vinum und qui devoravit substantiam suam cum meretricibus sowie soziale Diskriminierungen (1c) an Bedeutung. Dafür treten religiöse Disqualifizierungen (2e) wie z.B. inimici dei, inimici cruci, inimici apostolis, inimici et persecutores Christianorum, contemptor aeterni Dei, hostes veritatis sowie Solidarisierungsadjektive als neue Formen der Polemik (3f) hinzu, contyrannus, condetestabilis, cohaereticus. Außerdem finden sich Satzschimpfwörter (3d), die sich kaum systematisieren oder einer der Kategorien zuweisen lassen. „Es sind teils Relativsätze, die an die Anrede eines Gegners angehängt sind, formal gleichsam ein Nomen agentis ersetzen, teils übertreibende Hauptsätze negativen Inhalts, teils Vergleiche, teils auch nur mehr Andeutungen oder Insinuierungen, die sich formal nicht weiter klassifizieren lassen“ (Opelt, Hieronymus 176). Nach den Untersuchungen Opelts steht bei den christlichen lateinischen Autoren bis ins 5. Jh. die Polemik gegen Einzelpersonen oder Gruppen, also etwa Heiden, Juden und Häretiker im Vordergrund. Unter ihnen sind vor allem die Donatisten, Manichäer, Marcioniten, Arianer, Pelagianer und Origenisten zu nennen sowie als Einzelpersonen Hermogenes, Marcion, Novatus, Praxeas, Sabellius und Valentinus, aber es begegnet ebenso polemische Kritik an politischen Funktionsträgern wie Kaisern und Magistraten. Außerdem finden sich Angriffe auf den Teufel, pagane Gottheiten, ihre Priester und Kultinhalte, Tempel, Altäre und Opfer sowie heidnische Kultureinrichtungen, auf Philosophen und deren Schulen sowie das Heidentum allgemein. Zuletzt richten sich Schimpfwörter auch gegen Sünder im Neuen und Alten Testament, etwa Cain, Judas und die Geldwechsler im Tempel. Während also die Kategorien der Beschimpfungen mutatis mutandis in den untersuchten Jahrhunderten gleich bleiben, hat auch bei der Wortwahl in der christlichen Literatur kein wesentlicher Wandel des pagan-klassischen Latein stattgefunden, sieht man einmal davon ab, dass etwa aus ebrius vinovorax oder aus fraudatores fabulones werden, der Begriff des populus eine neue Definition erhält, nomina agentis bes. im Femininum zahlreiche Verwendung finden, Abstrakta vermehrt auf Personen angewendet werden (G. Devoto, Geschichte der Sprache Roms (1968) 273/78) und viele Adjektive des Bildungstyps auf -bilis vorkommen (G. Bendz, De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones criticae et semasiologicae: Eranos 58 (1960) 36/50). Daneben begegnen Elemente der Vetus Latina und der Vulgata sowie christliche Neuschöpfungen wie etwa die Solidarisierungsadjektive und bibeltypische Wendungen wie incircumcisus corde, devoratrix hominum et suffocans gentem tuam. Die Schimpfworte, die Heiden gegenüber Christen verwenden, um ihre Religion zu verhöhnen und ihnen Religionsfrevel vorzuwerfen, entsprechen denen der Christen (Opelt, Arnobius 162), auch wenn sie andere Adressaten haben. Eine vollständige Übersicht über diese Ausdrücke findet sich bei Opelt (Polemik, 276/96) bzw. bei Wissemann (194/211). III. Ergebnisse Ausgehend von dem unter I. beschriebenen linguistischen Bezugsrahmen ergibt sich für die nicht mehr semantisch, sondern allein durch ihren situativen Kontext definierten Schimpfworte der Antike, die zudem wegen ihrer schriftlichen Überlieferung nur aus der Perspektive eines unbeteiligten Zuschauers zugänglich sind, ein nach inhaltlichen Kriterien strukturierbares Vokabular. Es gliedert sich weitgehend unabhängig von den Adressaten in die unter I. genannten Kategorien von 1a bis 3e, die durch die Literatur der Spätantike noch um die Kategorien 2e und 3f erweitert werden. Wie die Untersuchungen zur Intertextualität dieses Vokabulars zeigen, besitzt es hinsichtlich seiner inhaltlichen Struktur in der untersuchten Zeit und in drei antiken Kulturen von Homer bis ins 6. Jh., von der Thora bis zum Neuen Testament und von Plautus bis an die Wende zum MA eine durchgängige Konstanz (Opelt, Pamphlet 102f); allerdings variiert die Benutzung der verschiedenen Beschimpfungstypen nicht nur von Autor zu Autor, sondern vor allem ist sie abhängig vom literarischen Genus und der Epoche. Ebenso variieren emotionale Intensität und Stilhöhe der Ausdrücke aufgrund der Parameter Autor, literarisches Genus, Situation und Zeitumstände. Daneben aber ist zu beobachten, dass allen voran die Ausdrücke der moralischen Disqualifizierung, der intellektuellen Mängel und die Metaphern über eine erstaunliche Beständigkeit des Vokabulars durch die Jahrhunderte und die antiken Kulturen verfügen, die den Wandel der Sprachen, etwa vom Latein der Komödien eines Plautus und Terenz zu dem des frühen Mittelalters, der Sprache Homers bis zu den Komödien Menanders oder den Formulierungen der Thora bis zu den Propheten und der Weisheitsliteratur kaum nachbilden. Allein die religiöse Polemik lateinischer Zunge in christlicher Zeit zeichnet sich nach bisherigem Forschungsstand durch kreative Neuschöpfungen z.T. sogar als Gräzismen (apostata, blasphemus, hypocrtita) oder Hebraismen (populus incredulus qui graditur in via non bona post cogitationes suas) aus. Literatur
Valentina Arena, Roman Oratorical Invective: W. Dominik / J. Hall (Hrsg.), A Companion to Roman
Rhetoric (2010) 149-60 mw |
Impressum | Kontakt |