Prosodie und Metrik: Glossar
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Vorbemerkung:
Die Bezeichnungen zur Klassifizierung von Phonemen (z.B. Aspirata, Dental)
stammen aus dem Lateinischen. Ihr grammatisches Geschlecht ist feminin, da
sie auf adjektivische Attribute (z.B.
aspirata, dentalis) zu vocalis (Vokal)
bzw. consonans (Konsonant) zurückgehen, zu denen wiederum littera
(Buchstabe, Phonem) zu ergänzen ist. Die eingedeutschten Bezeichnungen
werden, enden sie auf einen Konsonanten, (entsprechend ihrer lateinischen
Herkunft) auf der letzten Silbe betont (z.B. Vibránt, Dentál; Ausnahme:
Ténuis).
A-E,
F-K,
L-O,
P-S,
T-Z
A-E
Affrikata
(lat. affricāre ~ anreiben): Verbindung eines →
Verschlusslautes mit einem → homorganen → Reibelaut in einer
→ Silbe, wie z.B. [pf], z
= [ds].
Akzent
(lat. accentus < griech. ἡ
προσῳδία ~ Zugesang):
Hervorhebung einer Silbe durch die Tonhöhe (musikalischer Akzent), die
Tonstärke (→ exspiratorischer Akzent) oder die Tonlänge (→
Quantität).
Ansatzrohr:
Raum vom Kehlkopf bis zur Mund- und Nasenöffnung, den der
Luftstrom bei der → Artikulation passiert.
Aphairese
oder Aphärese (griech. ἡ
ἀφαίρεσις ~ Wegnahme):
bezeichnet in der Schulmetrik eine Sonderform der → Elision: Endet
ein Wort auf einen → Vokal oder einen Vokal mit -m
und folgt entweder die Form es (~ du bist) oder est (~
er/sie/es ist), so wird das e
jeweils ausgestoßen (met. 1,519: nostra est > nostra-st).
Artikulation (lat. articulāre ~ gliedern, deutlich
aussprechen): Lautbildung, d.h. Sprechbewegungen im →
Ansatzrohr.
Aspirata,
aspirieren (lat. aspīrātus, -a, -um ~
gehaucht): Verbindung eines → Verschlusslautes mit einem nachfolgenden
Hauchlaut, der selbst keinen → Phonemwert besitzt, wie ph, th, ch.
Dauerlaut:
auch → Vibrant (lat. vībrāre ~ schwingen);
gerollter Laut, bei dem der → Verschluss mehrfach kurzzeitig
unterbrochen wird; Oberbegriff von → Spirant, → Nasal, →
Liquida.
Dental
(lat. dēns ~ Zahn): Zahnlaut, der dadurch entsteht, dass die
Zunge bei der → Artikulation gegen die Zähne drückt (z.B.: t,
d).
Diphthong
(griech. διφθόγγος
~ doppellautend): Verbindung zweier → Vokale, die eine
→ Silbe bilden, wie z.B. ae
oder oe. (→ Monophthong)
Elision,
elidieren (lat. ēlīdere ~ herausschlagen,
herausstoßen): Laut Schulmetrik wird der auslautende Vokal aus Gründen
des Wohlklangs unterdrückt (elidiert), wenn ein Wort auf einen →
Vokal endet und das nächste mit einem Vokal beginnt. Das gilt auch, wenn
das vorangehende Wort auf Vokal mit -m endet, bzw. wenn das folgende Wort mit h- beginnt (met. 1,464: quantōque animālia
> quantōqu-animālia). Wir verfahren anders: s. Regel
4.3.! (→ Synaloephe, → Aphairese)
Enklitikon
(griech. ἐγκλίνειν
~ sich anlehnen): schwach betonte selbstständige
bedeutungstragende Einheit/Morphem, das sich an das vorausgehende Wort
anlehnt, wobei in der Regel sein → Akzent geschwächt wird. (Beispiel:
quoad < quo-ad)
Explosivlaut,
Plosiv (lat. explōdere ~ herausklatschen): →
konsonantischer Sprachlaut, der durch den zeitweiligen → Verschluss
des → Ansatzrohrs (bei geschlossenem Nasenraum) gekennzeichnet ist.
Exspiratorischer
Akzent (lat. exspīrāre ~ aushauchen): dynamischer
→ Akzent, der auf der Tonstärke des Gesprochenen beruht (Druck,
Intensitätsakzent).
F-K
A-E,
L-O,
P-S,
T-Z
Fremdwort:
ein aus einer Fremdsprache übernommenes Wort mit phonetischen,
morphologischen und/oder flexivischen Besonderheiten, deren Angleichung
nur teilweise erfolgt. (→ Lehnwort)
Fuß:
Der Fuß oder Versfuß ist das kleinste rhythmische Verselement. Er
besteht aus mindestens drei → Moren und ist in zwei Teile geteilt,
von denen der eine stärker betont ist. (→ Hexameter/Schulmetrik)
Geminata
(lat. geminātio ~ Verdopplung):
auch Doppelkonsonant; es ist ein verdoppelter → Konsonant,
der meist zu zwei → Silben gehört.
Gleitlaut:
auch Semikonsonant oder Semivokal; → Phonem, das weder voll zu den → Vokalen noch zu den
→ Konsonanten gerechnet werden kann, wie z.B. [w]
oder [i].
Guttural
(lat. guttur ~ Kehle): im hinteren Mund- und Rachenraum gebildete
→ konsonantische Sprachlaute (z.B.: g, k). (→ Palatal, → Velar, Labiovelar)
Hebung:
laut Schulmetrik in der → akzentuierenden Dichtung der
betonte Teil eines → Fußes, in der → quantitierenden Dichtung
der Teil des → Fußes, der stets prosodisch lang ist. (→
Senkung)
Hexameter,
daktylischer (Schulmetrik)
Der daktylische Hexameter ist ein Versmaß aus sechs Daktylen (qr),
von denen der letzte verkürzt (katalektisch) ist. Die zwei Kürzen des
Daktylus können durch eine Länge ersetzt werden, so dass aus dem
Daktylus ein Spondeus (qq)
wird, was jedoch im fünften Metrum selten ist. Die Betonung (´) liegt jeweils auf
der ersten Silbe des Metrums. Das Grundschema des daktylischen Hexameters
sieht folgendermaßen aus:
ê
y│ê
y│ê
y│ê
y│ê
t│ê
x ║
Die
Atempausen bzw. die Sinneinschnitte, die oft an einem Satzzeichen
erkennbar sind, werden Zäsuren genannt. Die Hauptzäsur liegt
meist nach der Länge des dritten Metrums, also nach dem fünften Halbfuß
(Penthemimeres [2];
griech. πέντε ~ fünf,
ἡμι- ~ halb, μέρος ~ Teil),
seltener nach der Länge des zweiten Metrums (Trithemimeres [1])
oder des vierten (Hephthemimeres [3]). Die Zäsur nach dem vierten
Metrum wird Bukolische Dihärese [4] genannt.
ê y│ê Y1y│ê Y2y│ê Y3yY4│ê t│ê x ║
Hiat
(lat. hiātus ~ Kluft): Treffen zwei Worte aufeinander, von
denen das erste auf → Vokal bzw. auf Vokal mit -m endet und
das zweite mit Vokal bzw. mit h- beginnt, und findet keine →
Elision statt, so bezeichnet man dies als Hiat. Sprachwissenschaftlich:
artikulatorische Unterbrechung zwischen zwei nicht diphthongischen, zu
zwei Silben gehörig ausgesprochenen Vokalen (z.B. dt. Chaos).
Homorganer
Laut: Laut, der mit dem
gleichen Organ an der fast gleichen Stelle → artikuliert wird, wie
z.B. b, p, m, v, f.
Hypermeter
(griech. ὑπέρ
~ über hinaus + τὸ
μέτρον ~ Maß, Versmaß): auch
hypermetrischer oder hyperkatalektischer Vers genannt; Vers, bei dem das
letzte → Metrum eine das regelmäßige Versmaß überschreitende
→ Silbe aufweist. Nach traditioneller → Metrik (der
griechischen und lateinischen Dichtung) wird sie mit der Anfangssilbe des
folgenden Verses mittels → Elision zusammengezogen.
Iktus
(lat. ictus ~ Schlag, Stoß): laut Schulmetrik die tonverstärkende
(dynamische) Hervorhebung der → Hebung eines → Fußes.
Kompositum
(lat. compōnere ~ zusammensetzen, zusammenstellen):
zusammengesetztes Wort, bei Verben oft aus einer Vorsilbe (Präfix) und
einem nicht zusammengesetzten oder abgeleiteten Wort (Simplex) bestehend.
Konsonant
(lat. cōnsonāns < cōnsonāre ~ zusammentönen):
Geräuschlaut oder Mitlaut, der durch eine → Verschluss- oder
Engebildung im → Ansatzrohr gekennzeichnet ist. (→ Vokal)
Konsonantensystem:
→ phonetisches Inventar der in einer Sprache vorkommenden
→ Konsonanten. (→ Vokalsystem)
L-O
A-E,
F-K,
P-S,
T-Z
Labial
(lat. labium ~ Lippe): Lippenlaut, der mit Unter- und Oberlippe
(Bilabial: b, p) bzw. Unterlippe und oberen Schneidezähnen
(Labialdental: f, v) gebildet wird.
Labiovelar (lat. labium ~ Lippe, velum ~ Segel, Gaumen):
Lippengaumenlaut; doppel, d.h. an zwei Artikulationsstellen (Oberlippe,
Velum) mit zwei artikulierenden Organen (Unterlippe, Zungenrücken)
artikulierter Polosiv, z.B. qu.
Lateral
(lat. latus ~ Seite, Flanke): konsonantischer Artikulationsmodus,
der durch eine von der Zunge gebildete seitliche enge Öffnung des →
Ansatzrohres gekennzeichnet ist, z.B. im Dt. [l].
Lehnwort:
→ Fremdwort, das in Lautung, Schreibung und Flexion vollständig in
die entlehnende Sprache integriert ist, wie z.B. dt. Fenster < lat. fenestra.
Liquida
(lat. liquidus ~ flüssig, fließend): Fließlaut, der sowohl
→ Konsonant (z.B.: l, r) wie → Sonant (z.B.: m,
n) sein kann und → artikulatorisch durch Öffnung und
Verschließung des → Ansatzrohres gekennzeichnet ist; bei →
Lateralen (z.B. l) an verschiedenen Stellen, bei → Vibranten
(z.B. r) zu verschiedenen Zeitpunkten.
Media
(lat. medius ~ mittlerer): stimmhafter → Verschlusslaut, wie b, d,
g. (→ Tenuis, → Aspirata)
Metrik
(griech. ἡ
μετρικὴ
τέχνη ~ Verskunst): Lehre von den Versmaßen,
der Verse und der Strophen.
Metrum
(griech. τὸ
μέτρον ~ Maß): Das Metrum
bezeichnet zum einen das Versmaß, zum anderen die kleinste metrische
Einheit eines Verses, die beim Hexameter mit dem → Fuß identisch
ist.
Monophthong,
monophthongisieren (griech. μονόφθογγος
~ allein tönend): einfacher → Vokal. (→ Diphthong)
More
(lat. mora ~ Zeitraum): Eine More ist die zur Aussprache einer
kurzen → Silbe erforderliche Zeitdauer. Eine lange Silbe weist die
doppelte Länge (zwei Moren) auf.
Muta
(lat. mūtus, -a, -um ~ stumm): stimmhafter oder
stimmloser →Verschlusslaut.
Nasal
(lat. nāsus ~ Nase): Nasallaut (Nasalkonsonant oder
Nasalvokal), bei dessen →
Artikulation die Luft durch die Nase entweicht (z.B.: m, n,
ã).
Okklusiv
(lat. occlūdere ~ verschließen, einschließen): →
Verschlusslaut.
P-S
A-E,
F-K,
L-O,
T-Z
Paenultima–Gesetz
(lat. paenultima ~ vorletzte; scil. syllaba): Wortakzentregel im
klassischen Latein: Ist die vorletzte → Silbe eines Wortes lang, so
ist sie betont, ist sie kurz, liegt der → Akzent auf der
drittletzten Silbe (lat. antepaenultima).
Palatal
(lat. palātum ~ Gaumen): konsonantischer Sprachlaut, der im
vorderen Mundraum (harter Gaumen) gebildet wird (dt. j wie in
„Jahr“; im Lateinischen oft vor i und e).
Palatalisieren
(lat. palātum ~ Gaumen): Vorverlegung der →
Artikulationsstellen von → Vokalen und → Konsonanten in den
vorderen Mundraum.
Phon
(griech. ἡ
φωνή ~ Laut): minimale Realisierungseinheit
eines → Phonems.
Phonem
(griech. ἡ
φωνή ~ Laut): kleinste
bedeutungsunterscheidende sprachliche Einheit, die in einem oder mehreren
→ Phonen realisiert wird.
Plosiv
(lat. plōdere ~ schlagen, klatschen): → Verschlusslaut.
Prosodie
(griech. ἡ
προσῳδία ~ Zugesang):
Lehre von den → Akzenten, d.h. Tonhöhe bzw. Tonstärke von →
Silben, von → Qualität und Quantität der Laute und → Silben
sowie vom Verhalten der → Silben in → Wortfugen (→
Elision, → Hiat, → Zäsur).
Qualität
(lat. quālitās ~ Beschaffenheit, Eigenschaft): Klangfarbe
eines → Vokals. (→ Quantität)
Quantität
(lat. quantitās ~ Größe): Dauer von → Vokalen oder
→ Silben. (→ Qualität)
Reibelaut:
auch Frikativ (lat. fricāre ~ reiben); Laut,
der dadurch erzeugt wird, dass der gleichmäßig geradlinige Luftstrom im
→ Ansatzrohr verwirbelt wird.
Semikonsonant
(lat. sēmi- ~ halb, cōnsonāre ~ zusammentönen):
→ Gleitlaut.
Semivokal
(lat. sēmi- ~ halb, vōcālis ~ tönend,
klangreich): → Gleitlaut.
Senkung:
Teil eines → Fußes, der nicht zur → Hebung gehört.
Silbe:
kleinste lautübergreifende Einheit innerhalb eines Wortes. Eine Silbe ist
geschlossen, wenn sie auf einen → Konsonanten auslautet, und offen,
wenn sie auf einen → Vokal endet.
Sonant
(lat. sonāre ~ tönen, klingen): Laut mit → silbischem
Wert, also ein → Vokal. (→ Liquida, → Lateral- bzw.
→ Gleitlaut)
Spirant
(lat. spīrāre ~ blasen): → Reibelaut, der durch
die unvollständige Schließung des Mundraums entsteht, z.B. f, s.
(→ Dauerlaut, → Liquida, → Nasal).
Suffix
(lat. suffixus, -a, -um ~ angeheftet): an einen
Wortstamm angehängtes Wortbildungs- oder Flexionselement.
Synaloiphe
oder Synalöphe (griech. ἡ
συναλοιφή ~
Verschmelzung): Endet ein Wort auf einen → Vokal bzw. auf einen
Vokal mit m und beginnt das folgende Wort mit einen Vokal bzw. mit h,
so werden die auslautende und die anlautende → Silbe derart
verschmolzen, dass beide hörbar bleiben (met. 1,464: quantōque
animālia > quantōqueanimālia).
Synaphie
(griech. συνάπτω
~ verbinden, sich verbinden): metrische Kontinuität innerhalb des
Hexameters (auch: lectio continua ~ verbindendes Lesen)
oder über Versgrenzen hinweg.
Synizese
(griech. ἡ
συνίζησις ~
Zusammenfallen): Kontraktion zweier im Wortinneren zusammenstoßender
→ Vokale, die zu verschiedenen → Silben gehören, zu einer
→ diphthongischen Silbe, wie z.B. ĕōdem > eodem oder dĕinde > deinde.
T-Z
A-E,
F-K,
L-O,
P-S
Tenuis
(lat. tenuis ~ dünn): stimmloser → Verschlusslaut, wie p,
t, c. (→ Media, → Aspirata)
Velar
(lat. vēlum ~ Segel): Gaumensegellaut; am Velum mit dem
Zungenrücken gebildeter → Konsonant, z.B. im Dt. [g], [k] oder [x].
Verschluss,
Verschlusslaut: → plosiver Momentanlaut, Oberbegriff von →
Media, → Tenuis und → Aspirata (vgl. → Dauerlaut),
konsonantischer Artikulationsmodus, der durch einen zeitweiligen
Verschluss des → Ansatzrohres gekennzeichnet ist.
Vibrant
(lat. vībrāre ~ schwingen): → Dauerlaut.
Vokal
(lat. vōcālis ~ tönend, klangreich): Selbstlaut;
Artikulationsmodus, der durch eine freie Passage im → Ansatzrohr
gekennzeichnet ist, zu dem im engeren Sinn die → Monophthonge a,
e, i, o, u und y und in der Didaktik
auch die → Diphthonge sowie im weiteren Sinn die Verbindungen der
oben genannten Laute und -m bzw. h- mit den eben den oben genannten Lauten gehören. Geschlossene
Vokale werden mit einer stärkeren Verengung des → Ansatzrohres
realisiert (im Dt. bei kurzen Vokalen), offene Vokale durch eine stärkere
Weitung (im Dt. bei langen Vokalen). (→ Regeln: 1.)
Vokalsystem:
→ phonetisches Inventar der in einer Sprache vorkommenden
→ Vokale. (→ Konsonantensystem).
Wortfuge:
Grenze zwischen Worten oder Wortbildungselementen.
Zäsur
(lat. caesūra = Einschnitt, Abschnitt): in der → Metrik
ein regelmäßig gesuchtes Wortende (Einschnitt) innerhalb eines →
Versfußes. Sie weist metrische und syntaktische Charakteristika auf.
(→ Regeln: 4.)
A-E,
F-K,
L-O,
P-S,
T-Z
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Zuletzt aktualisiert:
15.10.2004
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