Ovid - Texte

Vertumnus und Pomona

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Ov. met. 14,623-771

Damals war’s, als Pomona gelebt, die Gärten zu pflegen
Trefflich wie keine verstand der latinischen Hamadryaden,
Die auf Baumesertrag sorgfältig wie keine bedacht war.
Davon ist sie benannt. Nicht Waldungen liebt sie und Flüsse,
Fluren allein und von köstlichem Obst vollhangende Zweige.
Statt mit dem Spieß ist die Rechte beschwert mit gebogenener Hippe,
Womit bald sie zu üppigen Wuchs beschränkt und verwildert
Schweifende Ranken verkürzt, bald auch in gespaltene Rinde
Pfropfet ein Reis und Saft darreicht dem entliehenen Pflegling.
Nichts auch lässt sie vergehn vor Durst, und der saugenden Wurzel
Krummes Gefaser benetzt sie mit drübergeleitetem Wasser.
Dies ist Neigung und Lust; auch Lieb ist nimmer ihr Trachten.
Fürchtend jedoch die Gewalt der Flurenbewohner, verschließt sie
Innen den Garten und wehrt und fliehet den männlichen Zutritt.
Was nicht alles geschah von den Satyrn, der hüpfenden Jugend,
Und von den Panen im Feld mit den fichtenumwundenen Hörnern,
Von Silenus, dem Greis, der jugendlich bleibet im Alter,
Auch von dem Gott, der die Diebe erschreckt mit dem Glied und der Hippe,
Um der Pomona Besitz! Vor ihnen sogar im Verlangen
Tat sich Vertumnus hervor, doch glücklicher nicht als die anderen.
Oh, wie trug er so oft in der Tracht ausdauernden Schnitters
Ähren im Korb und gewährte das Bild leibhaftigen Schnitters!
Oftmals, wenn er ans Haupt frischduftendes Heu sich gebunden,
Schien er gemähetes Gras erst eben gewendet zu haben.
Oft in schwieliger Hand auch trug er den Stachel, und schwören
Mochtest du, dass er entjocht vorher die ermatteten Rinder.
Hielt er die Hipp: er war Laubscherer und Schnitter der Rebe.
Trug er die Leiter am Hals: Obst, dächte man, ging er zu brechen.
Kriegsmann schien er zu sein mit dem Schwert, mit der Angel ein Fischer.
So vielfache Gestalt annaehmend, verschafft’ er sich öfter
Eingang, dass er die Lust, zu betrachten die Schönheit, genösse.
Einmal auch, die Schläfen verhüllt mit zierlicher Haube,
Trat er, gestützt auf den Stab und erblichenes haar an den Schläfen,
Als ein Mütterchen ein in den sorglich gewarteten Garten.
Diese bewundert das Obst und spricht: „Wie bist du gesegnet!“
Und der Gepriesenen gibt sie etliche Küsse, wie niemals
Wirkliche Alte sie gibt, und gebückt auf die Scholle sich setzend,
Schaut sie empor zum Gezweig, das Bürde des Herbstes herabzog.
Vor ihr ragte, behängt mit schwellenden Trauben, ein Ulmbaum,
Und als sie diesen gerühmt und zugleich den geselleten Weinstock,
Sprach sie: „Stände der Stamm da, ehlos, ohne die Rebe,
Hätt er doch außer dem Laub gar nichts, weshalb man ihn suchte.
Aber die Rebe zugleich, die ruht am verbundenen Ulmbaum,
Wäre sie nicht ihm vermählt, sie läge geneigt an der Erde.
Doch du lässest dich nicht von des Baumes Vorbild bewegen,
Meidest das Lager der Liebe und sorgst um keine Vermählung.
Wolltest du nur, fürwahr, nicht Helena wäre von Freiern
Mehr umschwärmt, noch sie, die erregte den Kampf der Lapithen,
Noch auch das Weib des Ulixes, der tapfer war nur gegen Feige.
Jetzt auch, wo du entfliehst vor den Werbenden und sie verachtest,
Wünschen dich Hunderte doch, Halbgötter mit ihnen und Götter,
Was nur immer für Macht albanischer Berge bewohnen.
Bist du verständig und willst du dich glücklich vereinen und hören,
Was dir die Greisin rät, die mehr als die andern,
Mehr als du glaubst, dich liebt, so verwirf den alltäglichen Ehbund,
Und den Vertumnus ersieh dir zum Genossen des Lagers. Für diesen
Kann ich dir wohl einstehn; denn selbst nicht kennt er sich besser,
Als ich ihn. Nicht schweift er umher in den Ländern – nur dieses
Weite Gefild ist sein Heim; auch nicht, wie manche der Freier,
Liebet er jede vom Sehn: dich wird er zum ersten und letzten
Lieben allein, und dir nur weiht er die Jahre des Lebens.
Jugendlich ist er zudem, und natürliche Gabe der Anmut
Ward ihm verliehn, und er weiß sich in jede Gestalt zu begeben:
Was du verlangst, und du darfst jedwedes verlangen, er wird es.
Liebt ihr dasselbe nicht auch? Denn Obst, wofür du besorgt bist,
Hat er als Erstes und hält dein Gut in der fröhlichen Rechten.
Doch nun wünschet er nicht vom Baume gebrochene Früchte,
Nicht, die der Garten ernährt, safthaltige milde Gewächse,
Nichts mehr wünscht er als dich. Oh, gönne dem Schmachtenden Mitleid!
Denke du hörtest in mir jetzt flehen den Werbenden selber.
Rächender Götter Gewalt und die Macht von Idalion scheue,
Welche den Starrsinn hasst, und den Zorn der rhamnusischen Göttin.
Dass du sie mehr noch scheuest, erzähl ich – vieles zu wissen
Gab mir die Länge der Zeit – ein Begebnis, Zyperns Bewohnern
Allen Bekannt, das leicht kann wenden dein Herz und erweichen.
   Niederem Blute entstammt, sah Iphis die edelgeborne
Anaxarete einst vom alten Geschlechte des Teucer,
Sah sie und fühlte sogleich Glut wallen durch Mark und Gebeine.
Als er sich lange gesträubt, doch mit dem Verstand die Betörung
Nicht zu besiegen vermocht, da naht’ er flehend der Schwelle.
Bald sein liebendes Leid ihr gestehend, beschwor er die Amme,
Ihm nicht zu strenge zu sein, beim Glück und Gedeihen des Pflegkinds;
Freundlich beredet’ er bald jedwede der dienenden Mägde,
Sie um gewogene Gunst ansprechend mit dringlicher Bitte,
Oft von rührendem Brief auch ließ er bestellen die Worte;
Manchmal hängt’ er vom Taue der Tränen befeuchtete Kränze
Auf an den Pfosten und lag, an die steinerne Schwelle die weiche
Seite gedrückt, und schalt und verwünschte den leidigen Riegel.
Sie, unsanft wie der Sund, der steigt beim Sinken der Zicklein,
Hart wie Eisen und Stahl, in der norischen Esse geschmolzen,
Oder Gestein, das fest noch haftet an lebender Wurzel,
Weist ihn höhnisch zurück und gesellt hochmütige Worte
Schnöde zu kränkendem Tun und nimmt dem Bewerber die Hoffnung.
Nicht hielt weiter die Qual so lange getragener Schmerzen
Iphis aus, und er sprach vor der Tür noch dieses zum Abschied:
Du, Anaxarete, siegst, und von meiner beschwerlichen Nähe
Will ich dich endlich befrein. Auf, rüste zum frohen Triumphe,
Rufe den Paean laut und winde dir glänzenden Lorbeer!
Dein ist der Sieg; ich wähle den Tod. Flohlocke, du Spröde!
Etwas sollst du an meiner Liebe doch loben, in einem
Wird ich genehm dir sein, und Verdienst nicht wirst du mir leugnen.
Aber vergiss auch nicht, dass erst mit dem Atem ich aufgab
Liebe zu dir: ich muss zwe iLeben entbehren auf einmal.
Kunde von unsrem Tod soll nicht das Gerede dir bringen:
Ich will – zweifele nicht – nah sein und sichtbar erscheinen,
Dass am entseeleten Leib dein grausames Auge du weidest.
Wenn ihr, Götter, jedoch auf menschliche Taten herabseht,
O seid meiner gedenk – nichts Witeres waget die Zunge
Noch zu erflehn – und von uns lasst lange erzählen die Nachwelt!
Was ihr dem Leben geraubt an Zeit, das gebt dem Gedächtnis.’
   So sprach Iphis und hob wie die tränenden Augen die blassen
Arme hinan zu den oft mit Kränzen behangenen Pfosten,
Und an der Pforte zuhöchst anknüpfend die Schlinge des Strickes,
Sagte er: ‚Solch ein Geflecht, unselige Spröde, behagt dir!’
Rasch fügt’ er ein das Haupt, auch jetzt nach jener gewendet,
Und die entsetzliche Last hing da mit geschnüreter Kehle.
Ächzenden Ton ließ hören die Tür beim Schlage der Füße,
Da ihr die Sprache versagt, und geöffnet, verriet sie den Selbstmord.
Laut schrie auf das Gesind, und sie trugen zur Schwelle der Mutter –
Tot war, der ihn gezeugt – den vergeblich gelöseten Leichnam.
Jene empfängt ihn im Schoß und umfasst des erkalteten Sohnes
Teueren Leib; dann, als sie die Worte unglücklicher Eltern
Alle gesagt und das Tun unglücklicher Mütter erschöpft war,
Führte sie hin durch die Stadt den Tränen erregenden Grabzug
Und ließ tragen zum Brand den verglichenen Leib auf der Bahre.
Dicht an der Straße, wodurch sich bewegte das Leichenbegängnis,
Lag Anaxeretes Haus, und die Klagen erreichten der spröden
Jungfrau Ohr, die nun schon spürte die rächende Gottheit.
‚Lasst uns’, sprach sie gerührt, ‚anschauen den traurigen Grabzug!’
Und ein erhöhtes Gemach mit geräumigen Fenstern betrat sie.
Kaum nun sah sie gestreckt auf der Bahre den Iphis, da plötzlich
Sind ihr die Augen erstarrt, und das wärmende Blut in den Adren
Weicht aus dem Leib, den Blässe bezieht. Rückwärts mit dem Fuße
Wollte sie gehen: fest hing er. Das Antlitz wollte sie wenden:
Das auch konnte sie nicht, und das Gestein, das längst in dem harten
Busen gewesen zuvor, durchdringt ihr allmählich die Glieder.
Halte für Mär das nicht; denn Salamis wahret das Steinbild,
Völlig der Lebenden gleich, noch jetzt im Tempel der Venus,
Die „Hinschauende“ heißt. Dies nimm, mein Kind, dir zur Warnung,
Lass von dem störrischen Sinn und dem Liebenden füge dich, Nymphe.
Dafür möge dir auch nie Keime des Obstes im Frühling
Sengen der Frost, nie raffender Wind abschütteln die Blüten.“
   Als dies der Gott, in Gastalt einer Greisin erscheinend, erfolglos
Hatte gesagt, da ward er zum Jüngling wieder, und von sich
Gebend das Greisengerät, erschien er der Nymphe in Schönheit,
Wie wenn siegend sich drängt durch hemmende Wolken der Sonne
Leuchtendes Bild und, von keiner verdeckt, neu sendet die Strahlen;
Und er bereitet Gewalt. Nicht not ist Gewalt: mit Entzücken
Schaut sie des Gottes Gestalt und spürt gleich jenem die Wunde.

 

aus: Ovid; Werke in zwei Bänden, in der Bearbeitung von Liselot Huchthausen

© Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1968
 







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