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Folgende Autoren bzw. Werke werden in Regeln bzw. Quellen abgekürzt zitiert:
Cic. = M. Tullius Cicero
(106 - 43 v.Chr.) orat. = Orator (Der
Redner) fam. = Epistulae ad familiares
(Briefe an Freunde) Keil = H. Keil (Hrsg.): Grammatici Latini, 7 Bde., Leipzig 1857-1880
/ / Graphem [ ] phonetische Umschrift 1. Vokale Im Lateinischen gibt es einfache Vokale (a, e, i, o, u und in griechischen Fremdwörtern y) und Diphthonge (ae, au, ei, eu, oe, ui). Prosodisch gelten als Vokal neben diesen einfachen Vokalen und Diphthongen auch auf -m auslautende Silben, wenn sie am Wortende stehen und das folgende Wort mit einem Vokal beginnt. Die Aussprache der Vokale unterscheidet sich in (a.) Quantität und (b.) Qualität.
Jedes Vokalphonem kann von Natur aus (naturā) betont oder unbetont als Länge oder Kürze auftreten. Die Kürze des Vokals bleibt auch in geschlossenen Silben erhalten. 1.1. Einfache Vokale Die Aussprache ist im Wesentlichen mit der deutschen identisch.
Das folgende sogenannte Vokaldreieck verdeutlicht für die Aussprache der einfachen Vokale den Zusammenhang von Lippen- und Zungenstellung mit dem Öffnungsgrad des Mundes:
1.1.1. i: Besonderheiten i wird als Gleitlaut [j] wie deutsches j in Jahr gesprochen, wenn es am Anfang von Wörtern vor einem Vokal steht: ius [ju:s]. Dies gilt auch für Komposita: iniecto [ın'jεkto:]. Intervokalisches i wird als verdoppelter Gleitlaut [jj] gesprochen: maior ['majjɔr]. Zwischen Konsonant und Vokal ist i (abgesehen von Komposita) immer ein silbischer Vokal: quoniam und ratio sind also dreisilbig. ĭ im Superlativsuffix –ĭmus und in wenigen anderen Wörtern vor Labialen (lĭbet, manĭfestus, intĭbum ~ Endivie) ist ein „ein Klang zwischen u und i“ (Quintil. inst. 1,4,8), also wahrscheinlich ein gespreizter Mittelzungenvokal kleinen Öffnungsgrades [ɪ] bzw. [ʏ]. Man vergleiche rumän. î, türk. ı, russ. ы. Quelle: Quintil. inst. 1,4,8 1.1.2. u: Besonderheiten Im Unterschied zum Deutschen gab es in klassischer Zeit für die Phoneme /u/, /v/ und /w/ im Lateinischen nur das eine Graphem V bzw. in der Kursive u. Es wird in modernen Textausgaben mit u oder je nach Phonem zwischen u und v wechselnd wiedergeben. u wird
1.1.3. y: Besonderheiten Lateinisches y für griechisches υ (Ypsilon) wird in klassischer Zeit [ü], also wie in deutschem über ausgesprochen. 1.2. Diphthonge Die
sechs im Lateinischen vorkommenden Diphthonge werden als Diphthong, d.h.
aus ihren Bestandteilen zusammengesetzt, also nicht monophthongisiert
gesprochen.
Rix 1993, 11-15 Quellen: Terentius Scaurus 7,16,6-10 Keil; Lucil. F 1130 Marx 2. Konsonanten Die Konsonanten werden alle durch eine Verschluss- oder Engebildung im Ansatzrohr artikuliert (Artikulationsmodus), die Artikulationsorte sind verschieden (s. Einzelregeln). Das lateinische Alphabet kennt 16 konsonantische Grapheme: b, c, d, f, g, h, k (graphemisch selten), l, m, n , p, q, r, s, t, v. In griechischen Fremdwörtern treten auch x (ξ) und z (ζ) sowie die stimmlosen Aspirata ph (φ), th (θ), ch (χ) auf. Die Zahl der Konsonantenphoneme beträgt 16. Die Phoneme /j/ und /kw/ erscheinen nie als Graphem; s. 1.1.1. und 2.1.9. 2.1. Einfache Konsonanten Die folgende Tabelle ordnet die einzelnen Laute den Artikulationsmodi unter Berücksichtigung des Kriteriums der Stimmhaftigkeit/Stimmlosigkeit zu. Sie verdeutlicht dabei innerhalb der einzelnen Schnittmengen die Änderung des Artikulationsortes (links = vorne, rechts = hinten).
Allen 1978, 11-46; Meiser 1998, 52. 2.1.1. Bilabiale b und p Die Biliabiale b und p werden beide, anders als im Deutschen, aspirationslos artikuliert. Die Aussprache des p klingt ‚weicher‘ und rückt näher zu der des b (vgl. die Aussprache des Französischen). Zur Aussprache des ph in griechischen Fremdwörtern siehe 2.2.5. Prīmus amor Phoebī Daphnē Pēnēia quem nōn (met. 1,452) ['pri:mus 'amɔr 'phɔibi: 'daphne: pe:'ne:ıa: kwεm no:n] 2.1.2. Dentale d und t Die Dentale d und t werden beide, anders als im Deutschen, unaspiriert gesprochen. Die Aussprache des t klingt ‚weicher’ und rückt näher zu der des d (vgl. die Aussprache des Französischen). Zur Aussprache des th in griechischen Fremdwörtern siehe 2.2.5. Vīderat adductō flectentem cornua nervō (met. 1,455) ['vi:dεrat ad'dukto: flεk'tεntεm 'kɔrnua 'nεrwo:] Strāvimus innumerīs tumidum Pythōna sagittīs (met. 1,469) ['stra:wımus ın'numɛri:s 'tumıdum phy'tho:na sa'gıtti:s] 2.1.3. c c wird vor allen Vokalen wie [k] gesprochen, also auch vor e, i, ae, oi, nicht wie [ts]. Dafür gibt es vielerlei Belege aus den unterschiedlichsten Bereichen:
2.1.4. g g vor n wird als gutturaler Nasal [ŋ] artikuliert: ignara [iŋ'na:ra] (met. 1,453). 2.1.5. h h am Wortanfang wurde nur schwach ausgesprochen (vgl. Quintil. inst. 1,5,20f., Catull. carm. 84). Für die korrekte Aussprache kann es hilfreich sein, den auslautenden Konsonanten des vorangehenden Wortes eng an das mit h beginnende Wort zu binden: Delius hunc ['de:lıu'shunk] (met. 1,454). Dabei kommt uns im Deutschen die aspirierte Aussprache vieler Konsonanten bei der Synaphie bzw. lectio continua (verbindendes Lesen über Wortgrenzen hinweg) entgegen: fugat hoc ['fuga'thɔk(k)] (met. 1,469) Grundsätzlich gilt die schwache Aussprache auch für intervokalisches h innerhalb des Wortes. Es ist dann eher ein orthographisches Zeichen zur Silbentrennung (z.B. mi-hi) als ein phonemischer Wert, der eine Behauchung anzeigt. Die schwache Aussprache kann so weit gehen, dass sogar eine Synizese möglich ist: dehinc ['dεınk] Sommer/Pfister 1977, 147ff./ § 113; Allen 1978, 43ff.; Palmer 1990, 255 Quellen: Quintil. inst. 1,5,19-21; Catull. carm. 84 2.1.6. l Laut Plinius d.Ä. (s. Priscian. 2,29,8ff. Keil) hat es für l drei Artikulationsvarianten (a.-c.) gegeben, deren Realisierung umstritten und daher von uns nicht berücksichtigt ist: a. exilis (palatalisiert): in der Geminata (z.B. ille), nach anderen auch am Wortanfang; b. plena (nach anderen antiken Autoren: pinguis; velar): im Silbenauslaut (z.B. sol, sil-va) wie l im Englischen und nach Konsonanten (z.B. clarus); c. media: in den übrigen Stellungen (z.B. lectus, paulum). Sletsjøe 1968 2.1.7. m (am Wortende) Zu -m am Wortende s. 4.1. 2.1.8. n vor Gutturalen n bezeichnete vor den durch c, q, g geschrieben Lauten, also vor den Gutturalen, wie im Deutschen die gutturale Variante des Nasals n, also [ŋ]. Anders als im Deutschen werden die Gutturale hinter gutturalisiertem n weiterhin artikuliert. inquire ['ıŋqwırε] (met 1,512) incola ['ıŋkɔla] (met. 1,512) cinguntur [kıŋ'guntur] (met. 1,549) vs. im Deutschen lange ['laŋe], nicht *['laŋge] 2.1.9. qu
2.1.10. r r ist stets gerolltes Zungen-r. Vgl. Terentianus Maurus 6,332 Keil: vibrat tremulis ictibus aridum sonorem („Es bringt einen trockenen Laut mit zitternden Schlägen zum Schwingen.“) und weitere Autoren. ira ['i:ra] (met. 1,455) 2.1.11. s s ist, anders als im Deutschen, immer stimmlos, egal in welcher phonetischen Umgebung es auftritt, also auch vor e, i, ae, oi. 1) im Silbenanlaut a. vor Vokalen: saeva ['saıwa] (met. 1,453), serpente [sεr'pεntε] (met. 1,454), superbus [su'pεrbus] (met. 1,454) b. vor Konsonanten: strāvimus ['stra:wımus] (met. 1,460) 2) am Wortende: fors [fɔrs] (met. 1,453) 2.2. Konsonantenverbindungen 2.2.1. Allgemein In Lautfolgen von mindestens zwei Konsonanten wurden die Einzellaute im Lateinischen bewusster artikuliert als im Deutschen. Metrisch bewirken solche Lautfolgen über Wortgrenzen hinweg Silbenschließung und prosodische Längung der Silben (s. 3.1.), da die Artikulation jedes einzelnen Konsonanten Zeit beansprucht. Ausnahmen hiervon betreffen die Konsonantenfolge muta cum liquida (s. 3.1.1.), q vor dem Gleitlaut u (s. 1.1.2./2.1.9.) und die aspirierten Tenues ch, ph, th (s. 2.2.5.). Naturgemäß gelingt die
angestrebte Aussprache mehrerer Konsonanten leichter bei Kombinationen von
(a.) Dauerlauten (r, l, m, n, s, f)
bzw. (b.) Dauerlauten + Verschlusslauten als bei (c.) Häufungen von
Verschlusslauten (lat. Hector),
v.a. wenn letztere als (d.) Geminata (s.
2.2.2.) mit vorangehendem kurzem Vokal (lat. Iŭppiter;
vgl. dt. Mutter) auftreten.
Trotzdem ist die
im Deutschen übliche Lesung einer solchen Lautfolge mit dem Zeit- bzw.
Lautwert eines einfachen Konsonanten oder gar die Längung eines
vorherigen kurzen Vokals zu vermeiden.
Den zu einer Konsonantenfolge gehörenden Lauten entspricht jeweils die gleiche Anzahl Grapheme, z.B. Digraphem für Diphonem (zu Ausnahmen s. 2.2.2. und 2.2.6.). Dabei kann die Lautqualität bestimmter schriftsprachlicher Konsonantenverbindungen in der realisierten Aussprache Änderungen erfahren (siehe unten sowie 2.2.2. und 2.2.3.). Prosodischer Wert und Physiognomie eines Vokals vor einer Konsonantengruppe verändern sich, soweit dies noch nachvollziehbar ist, im allgemeinen nicht, außer bei folgenden Verbindungen innerhalb eines Wortes: a) -ns- und -nf- Ein Vokal vor ns und nf ist lang zu sprechen: īnsolēns (< ĭn + solēns), aber ĭn solidam (met. 10,180); n wird entweder konsonantisch oder nasal realisiert.
Hier wurde im älteren Latein durch die erst reduzierte, dann ganz unterbliebene Aussprache des n ein vorangehender kurzer Vokal gelängt und dabei noch leicht nasaliert. In der Orthographie schwand das ínì zunächst parallel zur Aussprache, wurde aber spätestens in klassischer Zeit wieder eingeführt und (wieder) konsonantisch ausgesprochen. Diese Sprachpraxis bezeugen u.a. (archaisierende) Inschriften wie COS für consul ['ko:nsul]. Cicero soll nicht nur das n immer weniger mitgesprochen, sondern auch den vorherigen Vokal unnasaliert gelassen haben. (Velius Longus 7,79,1f. Keil) Dies gilt auch für -nct- und -ncs-
ínxì.
Allen 1978, 28-30 und 65-67; Leumann 1977, 144-146 (§ 152); Sommer/Pfister 1977, 100 (§ 83,2), 183f. (§ 136,2b), 185 (§ 137,1); Meiser 1998, 78f. (§ 58), 94 (§ 69,2) Quelle: Cic. orat. 159 b) -ct- (v.a. im passiven Perfektpartizip [PPP] und in davon abgeleiteten Nomina) Hier wird der Vokal gelängt, wenn vor dem PPP-Suffix -to- ursprünglich eine Media stand (sog. Lachmannsches Gesetz: Meiser 1998, 79f. § 58, 5). āctae < *agtae zu agere (met. 10,174), aber dēspĕcta zu dēspicere (met. 4,206) Allen 1978, 68-71; Meiser 1998, 79f. (§ 58,5); Leumann 1977, 114 (§129); Sommer/Pfister 1977, 101f. (§ 83,6) 2.2.2. Doppelkonsonanten Doppelkonsonanten (Geminatae, z.B. rr, ll, tt, pp) sind das Ergebnis entweder (a.) des Aufeinandertreffens zweier gleichartiger Konsonanten oder (b.) der Dehnung (Verdopplung) eines einfachen Konsonanten oder (c.) von Assimilation (s. 2.2.3.).
In (a.) und (b.) gelten sie als Geminatae im engeren Sinne, d.h. Orthographie und Aussprache sind stets identisch. Der Vokal vor einer Geminata ist kurz, wenn es sich um eine gedehnte Tenuis (cc, tt, pp) handelt (siehe b.). In der sprachlichen Gestalt des klassischen Lateins kommen Geminatae vorzugsweise im Wortinlaut vor. Hin und wieder erscheint eine ursprünglich im Auslaut vorhandene Geminata zwar nicht mehr ausgeschrieben, ist aber metrisch noch wirksam und muss daher mitgesprochen werden. In klassischer Zeit betrifft dies fast nur hoc [hɔkk] als Nom./Akk. Sg. Neutr.: in hoc aevi (met. 10,218) < hocce < *hod-ce Zum intervokalischen Gleitlaut i: s. 1.1.1. Allen 1978, 75-77; Leumann 1977, 181-184 (§§ 183f.), 185 (§ 187) und 220f. (§ 225); Sommer/Pfister 1977, 154-160 (§§ 118f.) und 203 (§ 160); Boldrini 1999, 36f. 2.2.3. Assimilation Wenn zwei Konsonanten in der Kompositionsfuge eines Wortes aufeinander treffen, ergibt sich hinsichtlich ihrer Aussprache (bisweilen auch ihrer Schreibung) häufig eine Angleichung eines der beiden Konsonanten an die Lautqualität des anderen (zu -m + anlautendem Konsonant vgl. 4.1.b.). Meist handelt es sich dabei um eine progressive Assimilation, d.h. der erste Konsonant gleicht sich an den folgenden an. Der Grad der gesprochenen Angleichung kann dabei (a.) vollständig oder (b.) partiell sein. Im ersten Fall ist das lautliche Ergebnis eine Geminata (vgl. 2.2.2.). Auch wenn in der von uns
benutzten kritischen Ovidausgabe die überlieferte etymologische
Schreibung beibehalten wurde, ist doch davon auszugehen, dass beim
Rezitieren assimiliert wurde.
Fehling 1984, 543f. Quelle: Quintil. inst. 1,7,7f. 2.2.4. g vor n s. 2.1.4.; außerdem: n vor Gutturalen c, g, q, s. 2.1.8. 2.2.5. ch, ph, th Die Digrapheme ch, ph und th (< χ, φ, θ) werden in der lateinischen Schriftsprache erst seit Mitte des 2. Jh. v.Chr. vorwiegend in griechischen Namen und Lehnwörtern benutzt, seit Ende des 2. Jh. auch in (ursprünglich nichtaspirierten) lateinischen Wörtern. In gebildeten Kreisen der klassischen Zeit wurde die Aussprache der Phoneme /ch/, /ph/ und /th/ in griechischen Fremd- bzw. Lehnwörtern ebenfalls an die griechische Aussprache angelehnt und wurde als aspirierte Tenues [kh], [ph] und [th] realisiert (s. 2.1.5. und 2.1.1.–2.1.3.). Prosodisch gelten sie als einfache Konsonanten. in aethere Phoebus (met. 10,162) Delphi (met. 10,168) Hyacinthe (met. 10,185) Chirona (met. 6,126) Die Aussprache dieser Phoneme ist vergleichbar der deutschen behauchten Aussprache der einfachen Tenues k, p und t (vgl. Kuchen, Panther, Tod) bzw. der aspirierten Tenues th und ch (Thüringen, Chiemsee, Chor). ph wird erst in der Kaiserzeit entsprechend dem Lautwandel im Griechischen als labialer Reibelaut [f] artikuliert und als ífì geschrieben. In den ursprünglichen nichtaspirierten lateinischen Wörtern gebrauchten die Gebildeten die Aspiration – anders als beim einfachen anlautenden /h/ (s. 2.1.5.; vgl. stravit harēnās, met. 10,716) – zurückhaltender: z.B. pulcher (vgl. met. 1,484), triumphus (vgl. met. 1,560), Cethegus/Carthago, aber c(h)orona, c(h)aritas, lac(h)rima, bacc(h)a. Bei zwei aufeinander folgenden aspirierten Tenues (z.B. chth für χθ) wird orthographisch eine der beiden (i.d.R. die erste) als einfache Tenuis (= ohne íhì) geschrieben, was der Aussprache entsprochen haben dürfte. Ericthonius < *Erichthonius < Ἐριχθόνιος (met. 2,553) Allen 1978, 26f.; Leumann 1977, 159-163 (§§ 165f.); Sommer/Pfister 1977, 152-154 (§ 117); Biville 1987 Quelle: Cic. orat. 160 2.2.6. x und z X und z sind Lautfolgen von jeweils zwei Einzelkonsonanten (Diphoneme; Verschlusslaut + [s]), die im Schriftbild als ein gemeinsames Buchstabenzeichen (Monographem für Diphonem) erscheinen. Beide bewirken die prosodische Längung einer Silbe. Der griechische Buchstabe Χ/χ (chi) hatte im westgriechischen Alphabet den Lautwert von ξ (ksi). Von dort übernommen steht im Lateinischen das Monographem íxì für die Konsonantenfolge CS (Inschriften) und wird als Diphonem [ks] ausgesprochen. nexilibus flōrēs hederīs habet intertextōs (met. 6,128) pondus et exhibuit (met. 10,181) Das Monographem ízì (steht für /ss/ und) wird im klassischen Latein als Diphonem [ds] (Allen 1978, 45f.) bzw. als stimmhaftes s [z] (Rix 1993, 6) ausgesprochen. Es kommt nur in Lehnwörtern aus dem Griechischen vor. Troezēn (met. 6,418) Amāzone (met. 15,552) In der Wortmitte gilt z regelmäßig als silbenschließend (vgl. Probus 4,256 Keil: z (...) quoniam duplex est, facit positione longam. – „Da es ein Doppellaut ist, bewirkt es, dass eine Silbe positionslang ist.“). Cyzicon, Haemoniae nobile gentis opus ['kydsıkɔn/'kyzıkɔn] (Ov. trist. 1,10,30) (positionsbildendes z ist bei Ovid sehr selten, daher als Beispiel oben ein Pentameter: „Kyzikos, das vornehme Werk des thessalischen Volkes“ – das y in Cyzikon ist von Natur aus kurz, die Silbe jedoch lang) NB: Die Konsonantenfolge ds, z.B. in adsuetudine (met. 10,173), wird durch Assimilation (s. 2.2.3.) als stimmloses Doppel-s realisiert (im klassischen Latein: Allen 1978, 36). 3. Quantitäten und Akzente 3.1. Quantitäten: Länge und Kürze Die Aussprache des Lateinischen berücksichtigt die Quantitäten von Silben, d.h. die zeitliche Länge. Ob eine Silbe lang oder kurz gemessen wird, hängt zum einen mit der Länge oder Kürze des Vokals, zum anderen mit dem Silbenende zusammen: Endet die Silbe mit einem Vokal, ist sie offen, endet sie mit einem Konsonanten, gilt sie als geschlossen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein einzelner Konsonant zwischen zwei Vokalen grundsätzlich zusammen mit dem folgenden Vokal eine Silbe bildet und nicht die vorhergehende Silbe schließt, und zwar ohne Berücksichtigung von Wortgrenzen. Der Vers met. 1,452 beginnt also mit folgenden Silben: Pri – mu – s a – mor – Phoe – bi Die Quantität der offenen Silben richtet sich nach der Quantität des Vokals (vgl. Prī – mŭ[s], gemessen: lang - kurz); geschlossene Silben werden grundsätzlich lang gemessen, auch wenn der Vokal kurz ist (ă – mŏr – Phoe, gemessen: kurz - lang - lang). Die langen Silben weisen beim Lesen die doppelte zeitliche Länge (zwei Moren) einer kurzen Silbe (eine More) auf (Quintil. inst. 9,4,47). Dabei fallen bei den offenen, langen Silben beide Moren auf den Vokal bzw. Diphthong, während in geschlossenen Silben mit langem Vokal ein Bruchteil der beiden Moren für die Artikulation des silbenschließenden Konsonanten aufzuwenden ist. In einer geschlossenen Silbe mit kurzem Vokal bleibt die Vokalkürze erhalten, sodass eine More auf den Vokal und eine weitere auf den Konsonanten fällt. Das ist bei liquiden Konsonanten wie n oder l problemlos möglich, bei Plosivlauten wie c oder t dagegen entsteht die Länge durch eine Pause nach dem die Silbe schließenden Konsonanten. Quelle: Quintil. inst. 9,4,47 3.1.1. muta cum liquida Eine Silbe, auf die die Konsonantenfolge muta cum liquida folgt, kann sowohl als Länge als auch als Kürze gemessen werden. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Konsonanten entweder zusammen als zur folgenden Silbe gehörig oder getrennt – mit nur der liquida als zur folgenden Silbe gehörig – aufgefasst werden. et prīmō similis vólucrī, mox vēra volúcris (met. 13,607) Im Gegensatz zum ersten volucri – hier ist die Silbe lu kurz, weil sie offen ist (vŏ-lŭ-crī, gemessen: kurz - kurz - lang) und einen naturkurzen Vokal hat – wird die Silbe luc bei volucris – nun geschlossen – als Länge gemessen; dabei wird die Längung durch eine Pause nach c und vor r (vŏ-lŭc-ris, gemessen: kurz - lang - brevis in longo), nicht aber durch eine Längung des u erreicht. Durch die regelmäßige Abfolge der Quantitäten entsteht ein charakteristischer Rhythmus, das Kennzeichen jeder lateinischer Dichtung. prīmus amor Phoebī (met. 1,452) : Œ À À Œ Œ Œ 3.2. Akzente Beim Lesen werden die Wörter nach ihrem Wortakzent betont, der nach der Paenultima-Regel entweder auf der vorletzten Silbe liegt, wenn diese lang ist, oder der drittletzten Silbe, wenn die vorletzte kurz ist. Die Betonung äußert sich in einem Tonhöhenakzent (melodisch, musikalisch, chromatisch; nicht in einem expiratorischen, intensiven, dynamischen Akzent), dessen konkrete Gestalt jedoch umstritten bzw. ungeklärt ist (s.u. 3.3., Melodie). Zusammen mit dem geregelten Wechsel von Längen und Kürzen sichert der Zusammenfall von Wortakzent und Beginn des Versfußes am Versende das Hörverständnis als metrisch gebundene Rede. Stroh 1981, 62-65, bes. 65; Fehling 1984, 542; Stroh 1990, passim (mit älterer Literatur) 3.2.1. Griechische Wörter und Eigennamen Nach antiken Zeugnissen wurden griechische Eigennamen in lateinischen Texten entweder mit dem ursprünglichen griechischen Wortakzent oder gemäß den lateinischen Akzentregeln ausgesprochen; grundsätzlich wäre demnach in Versen wie ēdidit Eurynomē; sed postquam fīlia crēvit (met. 4,196) sowohl die Betonung Eurynóme (nach griech. Εὐρυνόμη) als auch Eurýnome (gemäß der lateinischen Paenultima-Regel) möglich. Da die römische Oberschicht – als Rezipient der lateinischen Dichtung – der griechischen Sprache mächtig war, ist davon auszugehen, dass griechische Wörter und Eigennamen ihrer Herkunft entsprechend mit griechischem Akzent ausgesprochen wurden; das legen auch antike Zeugnisse nahe (vgl. Quintil. inst. 1,5,22f.). Andererseits gibt es Hinweise dafür, dass am Versende des Hexameters, an dem in der Regel Beginn des Versfußes und Wortakzent zusammenfallen, eine Betonung von griechischen Eigennamen nach lateinischem Muster denkbar ist. So müsste in strāvimus innumerīs tumidum Pythōna sagittīs (met. 1,460) das vorletzte Wort Pythṓna, also entsprechend den lateinischen Akzentregeln, betont werden, obwohl beim griechischen Πύθωνα der Akzent auf der ersten Silbe liegt; nur bei der Betonung Pythṓna fällt nämlich der Akzent mit dem Anfang des fünften Versfußes zusammen. Eine eindeutige Klärung der Frage nach der Betonung griechischer Wörter und Eigennamen ist demnach nicht möglich, da es gewichtige Hinweise für eine Betonung sowohl nach lateinischem wie auch nach griechischem Muster gibt. Biville 1987; Eichenseer 1994 Quelle: Quintil. inst. 1,5,22-24 3.2.2. Enklitika (-que, -ve, -ne, -ce) Wörter, an die ein Enklitikon angehängt ist, werden nur dann (nach der Paenultima-Regel) auf der vorletzten Silbe betont, wenn sie lang gemessen wird. Anderslautende Zeugnisse antiker Grammatiker, die von einer regelmäßigen Betonung auf der Silbe vor dem Enklitikon ausgehen, sind wahrscheinlich auf eine fehlerhafte Analogiebildung zurückzuführen, da in der überwiegenden Mehrzahl der mit Enklitika zusammengesetzten Wörter die vorletzte Silbe geschlossen ist und demnach betont werden muss. In den wenigen Fällen, in denen die Kürze der Silbe erhalten bleibt, muss allerdings auf der Antepaenultima betont werden. Das wird durch die Beobachtung bestätigt, dass bei Beibehaltung der Paenultimaregel das vorletzte Wort im Vers mē miserum! nē prōna cadās, indīgnave laedi (met. 1,508) indī́gnave betont wird und somit am Versende Wortakzent und Beginn des Versfußes zusammenfallen. Würde entsprechend einer Ausnahmeregel bei Enklitika indignáve betont werden, wäre dieses regelmäßige Aufeinandertreffen am Versschluss gestört. (vgl. Martianus Capella 3,272) Wagener 1886; Allen 1978, 87; dagegen Eichenseer 1995 (für regelmäßige Betonung der vorletzten Silbe). Quelle: Mart. Cap. 3,272 3.3. Melodie Wort- (a.), Vers- (b.) und Satzmelodie (c.) sind von uns relativ zurückhaltend und ohne festes System gebraucht. Markus 2000; Wille 1967, 267f.; Zaminer 2000 a. „Der melodische, musikalische oder chromatische Akzent wurde vom 3. Jh. v.Chr. bis zum 1./2. Jh. n.Chr. verwendet.“ (Boldrini 1999, 3f.) Stroh 1981, 64 und 1990, passim b. Für den lateinischen Hexameter wissen wir nichts von einer bzw. über die Versmelodie. Vgl. 4.4.2. c. Es ist davon auszugehen, dass das Lateinische eine Satzmelodie besaß. Wie sie aussah, wissen wir nicht. Teuber 1984, 539f. (gegen die monotone Rezitationsweise von M. Mangold) Poiss 2003, 1009: „(…) für die komplexen Probleme der lateinischen Prosodie (Verhältnis von musikalischem zu dynamischem Akzent) steht eine Klärung noch aus.“ (anders als für das Griechische: vgl. Literatur 2.2.1.) Quellen zu (a.): Quintil. inst. 1,5,22-24; Servius 4,426,7 Keil 4. Wortbindung 4.1. m am Wortende Bei Wörtern, die auf –m auslauten, werden in der Dichtung dieselben Maßnahmen zur Hiatmeidung getroffen wie bei Wörtern mit vokalischem Ausgang. Aus diesem prosodischen Befund kann man schließen, dass Wörter auf –m generell jeweils auf Nasalvokale endeten, wie sie im Portugiesischen und Französischen bewahrt geblieben sind. Zwei besondere Situationen liegen vor, wenn das nachfolgende Wort entweder a) vokalisch beginnt (Hiat) oder aber b) mit einem Konsonanten, an das das vorausgehende auslautende –m wohl assimiliert wurde. zu a) Nach Quintilians Beschreibung (Quintil. inst. 9,4,40) wurde das auslautende antevokalische –m stark reduziert ausgesprochen und hatte die Funktion, die Vokale zu trennen und eine Verschmelzung beider zu vermeiden. Verrius Flaccus wollte für diesen Laut als neuen Buchstaben ein halbes M, also ein griechisches Lambda verwenden (in Velius Longus 2. Jh. n. Chr., 7,80 Keil). Velius Longus überliefert, dass bei Aphärese der anlautende Vokal der zweiten Silbe elidiert wurde, was mit Allen 1978, 31, auch inschriftlich bestätigt wird. Wir haben uns für eine reduzierte Aussprache, also einen Nasalvokal, entschieden, der auch hörbar ist, weil wir den auslautenden Vokal nicht elidieren (Synalöphe). (vgl. Allen 1978 und Sturtevant; dagegen: Leumann) Aus diesem Grund elidieren wir auch bei der Aphärese das e nicht. zu b) Auf eine Assimilation (vgl. 2.2.3.) von auslautendem -m und einem darauffolgenden Konsonanten weisen antike Grammatikerzeugnisse und inschriftliche Befunde hin. In bestimmten missverständlichen Situation wird jedoch auf eine Assimilation verzichtet (Cic. orat. 154; fam. 9,22,2). Dieses Phänomen wurde von uns nicht berücksichtigt. Allen 1978, 28f. u. 31; Sturtevant 1968, 151-153; Leumann 1977, 223-226 Quellen: Quintil. inst. 9,4,40; Verlius Longus 7,68 und 80 Keil; Cic. orat. 154; fam. 9,22,2 4.2. Intervokalisches h am Wortanfang Aufgrund der schwachen Aussprache von h (s. 2.1.5.) gilt intervokalisches h am Wortanfang prosodisch als nicht vorhanden; das Wort wird wie ein vokalisch anlautendes behandelt (s. 4.3.). 4.3. Hiat Die Begegnung eines Vokals am Wortende (oder einer Silbe, die auf –m auslautet, s. 4.1.) mit einem Vokal (oder h-, s. 4.2.) am Anfang des nächsten Wortes bezeichnet man als Hiat, wobei weder die eine noch die andere Seite den eigenen prosodischen Wert und die eigene Physiognomie verliert. Der Hiat stellt eine relativ seltene Erscheinung dar, da er vor allem in der Dichtung gemieden wird. Die antike Aussprache entsprechender Phänomene, die in Prosodie und Metrik als Elision (Ausstoßung der Endsilbe) bzw. Synalöphe (Verschmelzung/Verschleifung) bezeichnet werden, ist in der Forschung seit den antiken Grammatikern umstritten. Es ist allerdings wahrscheinlich (vgl. Quintilian bei 4.1.), dass der Silbenauslaut des ersten Wortes noch angedeutet und nicht vollständig elidiert wurde.
Da End- und
Anfangssilbe jedoch metrisch als eine einzige Silbe gelten und da für das
geregelte System von Längen und Kürzen die Anfangssilbe als
ausschlaggebend betrachtet wurde, gilt deren Dauer, kurz oder lang, als
maßgeblich für die Gesamtdauer der im Hiat aufeinandertreffenden Silben.
Will man nicht davon ausgehen, dass die Silbendauer im Hiat um eine
gewisse Zeit länger ist als exakt ein oder zwei Moren, ist eine Kürzung
sowohl der End- als auch der Anfangssilbe erforderlich, um in der Summe
die Gesamtdauer von einer (bei kurzer Anfangssilbe) oder zwei Moren (bei
langer Anfangssilbe) nicht zu überschreiten.
Allen 1978, 28f., 78-82; Boldrini 1999, 50-59; Leumann 1977, 223-226; Stroh 1981, 72; Sturtevant 1968, 151-153 4.4. Haltepunkte (Pausen) Stichische Hexameter weisen im Versinnern (4.4.1.) und am Versende (4.4.2.) Haltepunkte (im Versinnern nach Schulmetrik: Zäsuren und Dihairesen) auf. 4.4.1. im Versinnern An bestimmten Stellen innerhalb des Hexameters fallen regelmäßig Wortfugen und das Ende semantischer Einheiten (Kola) zusammen. Diese Einschnitte werden in der Metrik als Zäsuren und Diahairesen bezeichnet (s. Glossar: Hexameter, Schulmetrik). Wie sich diese Einschnitte bzw. Haltepunkte auf Prosodie und Rhythmus auswirken, ist für den lateinischen Hexameter unsicher. Sowohl mechanisch-statistische als auch semantisch-syntaktische Erklärungsmodelle sind in dieser Hinsicht wenig aussagekräftig. Während wir in der Rezitation bei den Einschnitten (und nach Kola) oft deutliche Pausen gemacht haben, um den Inhalt zu verdeutlichen, und somit Quintilian (der für die Prosa von leviter/graviter insistere spricht) sowie der gängigen Praxis gefolgt sind, spricht das Prinzip der Synaphie und die geregelte Silbenstruktur des Hexameters dagegen. Wie beim homerischen ist es auch für den klassischen lateinischen Hexameter wahrscheinlich, dass innerhalb eines Verses keine Luft geholt, also pausenlos vortragen wurde. Einschnitte und Kolagrenzen werden dann durch das Nichtabsinken der Intonation in Wort- und Satzmelodie bzw. eine „feine Längung der letzten Silbe eines Kolon, die der Hörer empfindet, ohne daß sie den Rhythmus stört“, verdeutlicht (Danek/Hagel 1995, 6f.). Da der Hexameter eine metrische Einheit ist, ergibt sich so eine Spannung zwischen syntaktischer Gliederung und prosodischem Verlauf (vgl. Quintil. inst. 9,4,67f.). Daitz 1991; Danek/Hagel 1995, 6-8; Steinrück 1995 Crusius 1967, 35f. (36); Drexler 1993, 19-22; Thraede 1978, 16-38 (bes. 19); Boldrini 1999, 91f. 4.4.2. am Versende Am Ende jeden
Hexameters steht ein Haltepunkt, also eine Pause. Dafür sprechen folgende
Gründe:
Pause am Versende bedeutet nicht, dass die Intonationshöhe (Sprechmelodie) an jedem Versende notwendig absinken muss. Dafür sind - im Interesse des Textverständnisses - eher syntaktische Strukturen, also z.B. Satzende, maßgeblich. Vgl. 3.3. Sogenannte Hypermeter sind sehr selten; sie scheinen die Regel zu bestätigen. Quellen: Quintil. inst. 9,4,67f. (dazu Drexler 1993, 19f.); Quintil. inst. 9,4,93f. Copyright © 2004, Mutatas dicere formas: Ovid-Projekt Berlin/Potsdam Zuletzt aktualisiert: 15.10.2004 |