Ovid - Texte

Apoll und Clytië

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Ov. met. 4,190-270

Bald mit Strafe vergilt den Verrat die kytherische Göttin.
Denn nicht minder ihm selbst, der störte die heimliche Liebe,
Stört sie mit Liebe die Ruh. Was hilft, o Sohn Hyperions,
Farb und Gestalt dir nun und die Fülle des strahlenden Lichtes?
Du, des eigene Glut durchbrennet die sämtlichen Lande,
Brennest von anderer Glut. Da alles zu schauen dir obliegt,
Schaust du Leukothoë nur und heftest allein auf die Jungfrau
Augen, die doch zukommen der Welt. Am östlichen Himmel
Steigst du zu früh bald auf, bald sinkst du zu spät in die Wogen,
Und du verlängerst, vertieft im Schauen, die Stunden des Winters;
Manchmal fehlest du ganz, und das Siechtum deines Gemütes
Dringt in das Licht, und dunkel erschreckst du der Sterblichen Seelen.
Auch nicht stehest du bleich, weil, näher der Erde, des Mondes
Bild dir sperrte den Weg: es entfärbt dich also die Liebe.
Sie nur trägst du im Sinn. Nicht Clymene hält dich noch Rhodos,
Nicht die schönste der Fraun, die Mutter der äischen Circe,
Clytië nicht, die heiß, obgleich vom Geliebten verschmähet,
Deine Umarmung ersehnt’ und zu eben der Zeit an der Wunde
Schmerzvoll litt. Dich ließ Leukothoë viele vergessen,
Die Eurynome einst, des Weihrauch zeugenden Landes
Schönste, gebracht zur Welt. Als aber die Tochter heranwuchs,
War sie der Mutter voraus, wie allen die Mutter, an Schönheit.
Im achämenischen Reich war Orchamus König, ihr Vater,
Der als siebenter Sproß von dem Urahn Belus gezählt wird.
Unter dem westlichen Pol ist die Weide des Sonnengespannes,
Welchem als Gras Ambrosia dient. Die nähret die Glieder,
Müde vom Dienste des Tags, und kräftigt sie wieder zur Arbeit.
Während die Rosse sich dort abrupfen das himmlische Futter
Und sich umher ausbreitet die Nacht, tritt in das geliebte
Zimmer der Gott, die Gestalt der Mutter Eurynome borgend.
Mit zwölf Mägden erblickt’ er Leukothoë, wie sie geschäftig
Glattes Gespinst beim Licht auszieht an gedreheter Spindel.
Drauf nun, wie er geküßt als Mutter die teuere Tochter,
Sprach er: ‚Die Sach ist geheim; geht fort, ihr Mägd und benehmet
Nicht der Mutter das Recht, ein Wort im Vertrauen zu reden’
Also geschah’s, und als im Gemach kein Zeuge geblieben,
Sagte der Gott: ‚Ich bin’s, der misset die Länge des Jahres,
Ich, der alles erschaut, der macht, daß alles die Erde
Schauet, das Auge der Welt. Du gefällst mir, glaub es.’ Sie zittert;
Rocken und Spindel entfällt im Schrecken den lässigen Fingern.
Selbst die Furcht stand ihr schön. Und der Gott, nicht länger verweilend,
Kehrte zurück in die wahre Gestalt und den ständigen Schimmer.
Jene, wie sehr sie geschreckt auch war von dem plötzlichen Anblick,
Fügte besiegt von dem Glanz sich dem Gott, einstellend die Klage.
   Clytië sah es mit Neid – denn vormals hatte sie Phoebus
Über die Maßen geliebt -, und gestachelt von Zorn auf die Buhle,
Macht sie die Liebschaft kund und meldet dem Vater der Tochter
Ruchbare Schuld. Der aber, im Grimm, gräbt ohne Erbarmen,
Während sie fleht und zum Lichte des Sol aufhebet die Hände
Und ‚Ich litt abwehrend Gewalt!’ ihm beteuert, sie grausam 
Tief in die Erd und beschwert sie dazu mit sandigem Hügel.
Diesen zerstreut mit Strahlen der Sohn Hyperions und schafft dir
Ausgang, wo du vermagst aus der Grube zu haben das Antlitz.
Aber du konntest das Haupt nicht mehr aufrichten, o Nymphe,
Schon von der Erde erdrückt; du lagst, ein verblichener Leichnam.
Nie seit Phaëthons Brand war schmerzlicher irgendein Anblick,
Gehet die Sage, wie der Für den Lenker des Flügelgespannes.
Lang war jener bemüht, wenn möglich, die frostigen Glieder
Durch der Strahlen Gewalt zur Wärme des Lebens zu wecken;
Aber dieweil das Geschick so großem Beginnen entgegen,
Sprengt’ er auf Leib und Ort wohlriechenden Nektar und sagte,
Als noch viel er geklagt: ‚Doch sollst du berühren den Äther.’
Sieh, da zergeht alsbald, durchdrungen vom himmlischen Nektar,
Schmelzend der Leib und tränkt mit duftigen Tropfen das Erdreich;
Und aus den Schollen gemach, darinnen er Wurzel geschlagen,
Hebt sich ein Weihrauchstamm und zerteilt mit der Spitze den Hügel.
   Aber der Clytië mag, wenn auch entschuldigen konnte
Liebe den Schmerz und Schmerz den Verrat, der Spender des Lichtes
Nicht mehr nahn, und er setzet dem Bund mit jener ein Ende.
Seitdem schwand sie dahin, unsinnig sich härmend in Sehnsucht,
Nie zu den Nymphen gesellt, und auf nackter Erde im Freien
Saß sie bei Tag und Nacht, achtlos auf das hangende Haupthaar,
Und neun Tage hindurch sich Trank und Speise versagend,
Gab sie dem nüchternen Mund nur Tau und eigene Tränen.
Nie auch wich sie vom Sitz. Zum Gesichte des wandelnden Gottes
Schaute sie nur und wandte sich stets nach ihm mit dem Antlitz.
Haften blieb, wie es heißt, am Boden ihr Leib, und die fahle
Blässe entfärbt sich zum Teil zu saftentbehrendem Kraute;
Rot ist gefärbt ein Teil, und violenähnliche Blume
Deckt das Gesicht. Sie wendet, obgleich von der Wurzel gehalten,
Immer dem Sol sich zu und bewahret, verwandelt, die Liebe.“

 

aus: Ovid; Werke in zwei Bänden, in der Bearbeitung von Liselot Huchthausen

© Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1968
 





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