Ovid - Texte

Jupiter und Kallisto

Deutsch
von M. u. S. Bernart

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mutatas dicere formas

Wie klangen Ovids Metamorphosen?



Miriam und Simon Bernart

Einleitung zur Übersetzung Ov. met. 2,401-507

Wir haben uns entschlossen, eine eigene Übersetzung der Passage Ovid met. 2,401-507 zu bieten. Die zahlreichen schon existierenden Übersetzungen sagten uns aus verschiedenen Gründen nicht zu, so dass eine eigene Übersetzung für uns die logische Konsequenz war.

Prinzipiell sind bei einer Übersetzung ausgangs- und zielsprachliche Aspekte zu berücksichtigen.

So sind ausgangssprachenorientierte Übersetzungen, d.h. Übersetzungen, die sich in Stil, Wortwahl, Wort- und Sinnfolge etc. am lateinischen Originaltext orientieren, oftmals schwer verständlich, zumal bei längeren Texten. Eine solche Übersetzung (in Prosa oder freien Versen) bricht außerdem aufgrund der natürlichen Länge der deutschen Sprache (im Bestreben einer inhaltlich adäquaten Übersetzung) die Kürze des Originals auf und wird somit unseren ästhetischen Bedürfnissen nicht gerecht. Denn die sprachliche und inhaltliche Dichte, die Verdichtung der Informationen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Originals, auf den wir in unserer Übersetzung nicht verzichten wollten.

Es gibt allerdings schon eine Reihe hexametrischer Übersetzungen Ovids. Was ist also das Besondere unserer neuen Übersetzung? Es handelt sich dabei vornehmlich um zwei Aspekte:

Zum einen soll ein „poetischer Satzbau“ vermieden werden. Ein solcher Satzbau entgegen dem üblichen deutschen Satzbau ist ästhetisch fragwürdig und erschwert in jedem Falle das Verständnis. Zum anderen ist die Vermeidung von Verkürzungen bzw. Verlängerungen von Wörtern zu nennen. Gemeint sind damit z.B. das Weglassen von Endvokalen bzw. das Hinzufügen von Vokalen in Verbformen. Das eine ist umgangssprachlich, das andere – sozusagen – heute nicht mehr in aller Munde. Beide Phänomene scheinen zudem nicht selten durch metrische Erwägungen motiviert zu sein.

Was also ist das ästhetische Ideal, das dieser Übersetzung zugrunde liegt? Wir hoffen, eine zielsprachlich orientierte, d.h. allgemein verständliche, zeitgemäße Übersetzung geschaffen zu haben, die durch die Bewahrung des originalen Versmaßes, des Hexameters, die sprachliche wie inhaltliche Dichte des lateinischen Textes ebenso wiedergibt, wie sie sich trotz dieses formalen Zwanges unangemessener Poetismen zu enthalten versucht. Das Metrum soll der Sprache dienen, nicht die Sprache dem Metrum. Die erstrebte Berücksichtigung der Stilebene des Originals und die allgemein verständliche, bewusst eher schlichte Sprachführung (so wurden z.B. Variationen von Eigennamen nicht nachgeahmt) bietet dem Leser die Möglichkeit, sich einerseits ganz auf den Inhalt der Metamorphose zu konzentrieren und das Geschehen zu verfolgen, andererseits aber – durch das unterschwellig stets vorhandene Metrum - auch einen Eindruck von der Eleganz des Originals zu erhalten.

 

Übersetzung

Lateinischer Text

Latein mit Hilfen

Relief & Mythos



 

Zum Hören 

 
401-421 (lat.)
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422-440 (lat.)
(1,7 MB)
441-452 (lat.)
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453-465 (lat.)
(1,2 MB)

466-488 (lat.)
(2,0 MB)
489-507 (lat.)
(1,6 MB)

401-421 (dt.)
(1,6 MB)
422-440 (dt.)
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Ov. met. 2, 401 – 507

übertragen von Miriam und Simon Bernart


Doch der allmächtige Vater sieht nach den stattlichen Himmels-
mauern und prüft, dass nichts, woran die Kräfte des Feuers
rüttelten, einstürze. Als er sich überzeugt hat, dass alles
kräftig und stark ist, blickt er zur Erde sowie auf das harte
Leben der Menschen; aber es drängt ihn vielmehr noch
sein Arkadien: Quellen und Flüsse, die erst noch nicht fließen
wollen, setzt er instand und gibt Gräser dem Boden, den Bäumen
Laubwerk und lässt die geschundenen Wälder aufs Neue ergrünen.
Während er eilig hin und her lief, erblickte der Gott ein
junges arkadisches Mädchen, und schon war er Feuer und Flamme.
Wolle durch Ziehen geschmeidig zu machen, war nicht ihre Arbeit,
noch die Haare neu zu richten; wenn eine Spange
nur ihr Kleid, ein weißes Band die offenen Haare
hielt und sie den glatten Wurfspeer oder den Bogen,
war sie Dianas Kriegerin; keine betrat der Diana
lieber den Maenalon; aber keine Gunst ist von Dauer.

Mittag war schon vorüber, aber noch hoch stand die Sonne,
als sie in ein noch unberührtes Wäldchen gelangte.
Hier nun nahm sie den Köcher von der Schulter, entspannte
den geschmeidigen Bogen und legte sich auf eine Lichtung.
Ihr bemalter Köcher diente dem Nacken als Stütze.
Als er sie so, erschöpft und ohne Bewachung, erblickte,
sagte Jupiter: „Diesen Raub wird meine Gattin
sicher nicht erfahren, wenn doch – ertrag’ ich sie gerne!“
Unverzüglich erlangt er Gestalt und Kleid der Diana.
Und er sagt: „O Jungfrau, Mädchen aus meinem Gefolge,
wo in den Bergen hast du gejagt?“ Das Mädchen erhebt sich
freudig vom grünen Rasen: „Ich grüße dich, Göttin“, so sprach sie,
„hörte es Jupiter selbst, für mich bist du größer.“ Er hört es
lachend und freut sich, sich selbst bevorzugt zu werden, und gibt ihr
wenig genügsame, ganz und gar nicht schamhafte Küsse.
Dass sie erzählt, in welchem Wald sie gejagt hat, verhindert
seine Liebkosung; aber erst das Verbrechen verrät ihn.
Jene wehrt sich, wie sehr eine Frau es vermag, zwar dagegen,
(hättest du es gesehen, Juno, du wärest milder!)
jene wehrt sich, wen aber könnte ein Mädchen bezwingen,
oder wer den Jupiter? Siegreich strebt Jupiter in die
Sphären der Götter. Sie aber hasst den Wald und sein Wissen;
als sie von dort wieder aufbricht, hätte sie fast ihren Köcher
mit den Pfeilen vergessen, und auch – er hing noch – den Bogen.

Siehe, von ihrer Schar begleitet schreitet Diana
über den hohen Maenalon, stolz auf die Beute des Jagens.
Schon erblickt sie das Mädchen und ruft sie: die aber flüchtet
anfangs aus Angst, dass Jupiter sich in jener verberge;
als sie jedoch auch Nymphen mit ihr herannahen sah, da
ließ sie ihr Misstrauen fallen und mischte sich unter die Ihren.
Ach, wie schwierig, durch Blicke die Schande nicht zu verraten!
Kaum nur schaut sie vom Boden auf, und sie läuft nicht wie üblich
neben der Göttin noch an der Spitze des ganzen Gefolges,
sondern ist still, und errötend verrät sie die Schändung der Unschuld;
wäre sie keine Jungfrau, hätte Diana die Schuld wohl
tausendfach spüren können; die Nymphen spürten es, sagt man.

Schon zum neunten Mal entstand die Sichel des Mondes,
als die Göttin, erschöpft von der Jagd und der sengenden Sonne,
dort einen kühlen Hain betrat, wo ein plätscherndes Bächlein
über vom Wasser geschliffene Kiesel mit Rauschen hinwegsprang.
Nach einem Lobpreis des Ortes hielt sie die Zehen ins Wasser;
nach einem Lob auch des Wassers sprach sie: „Es sieht uns hier niemand;
lasst uns die bloßen Körper beim Baden mit Wasser bespritzen!“
Da errötet das Mädchen; alle legen ihr Kleid ab;
einzig sie will noch zögern, doch man beraubt sie der Sachen.
Daraufhin zeigt sich am nackten Körper deutlich die Schande.
Sie ist entsetzt und versucht, mit den Händen den Bauch zu verbergen.
„Weiche von uns! Schände nicht die heiligen Quellen!“
ruft da Diana und heißt sie so, von der Gruppe zu gehen.

Längst schon bemerkt hatte dies des großen Donnerers Gattin,
doch die fällige Strafe hatte sie vorerst verschoben.
Nun gibt es keinen Grund mehr zu zögern: es hatte (was Juno
deutlich missfiel) die Rivalin den Jungen Arcas geboren.
Finster wandte sie ihren Blick dahin, und sie keifte:
„Das war ja klar, du Ehebrecherin: du musstest schwanger
werden und durch die Geburt meine Kränkung öffentlich machen
und die Schandtat meines Jupiter auch noch bezeugen!
Strafen werde ich dich: ich werde deine Gestalt dir
nehmen, die dir so gefällt und auch meinem Gatten, du Miststück!“
Das also sprach sie. Dann ergriff sie jene beim Schopf und
warf sie vornüber zu Boden; doch die hob flehend die Arme:
Da begannen die Arme, schwarze Zotteln zu bilden,
ihre Hände krümmten sich und wuchsen zu Pranken;
nunmehr dienten sie als Füße; das Jupiter einst so
liebe Antlitz wurde hässlich und breit, eine Fratze.
Um durch Bitten und Flehen niemanden rühren zu können,
wird ihr das Sprechvermögen genommen: ein zorniges Brummen
strömt aus dem rauen Rachen, furchterregend und drohend.
Aber ihr Geist bleibt der alte (auch nach der Verwandlung zur Bärin);
Dauerndes Stöhnen zeugt von ihrem Schmerz, und sie hebt zu
Himmel und Sternen, was einst ihre Hände waren; den Undank
Jupiters kann sie, wenn auch nicht artikulieren, doch fühlen.

Ach, wie oft vermochte sie nicht, im einsamen Wald zu
ruhen, und irrte umher beim Haus, ihren früheren Feldern!
Ach, wie oft trieb Hundegebell sie über die Felsen,
floh sie erschrocken, die Jägerin, angsterfüllt vor den Jägern!
Weil sie vergaß, was sie war, verbarg sie sich oftmals vor wilden
Tieren; sah sie welche, erschrak die Bärin vor Bären,
auch vor Wölfen, obwohl ihr Vater zu jenen gehörte.

Siehe, der Spross, der die Mutter nicht kennt, die Tochter Lycaons,
Arcas, er naht, ein Bursche von etwa fünfzehn Jahren.
Während er wilde Tiere verfolgt, geeignete Wälder
sucht und mit Netzen im Erymanthus umhergeht,
trifft er auf seine Mutter; beim Anblick von Arcas verharrt sie,
und es scheint, sie erkenne ihn wieder. Er aber flüchtet.
Angst befällt den Arglosen, da ihn die Bärin beharrlich
stechenden Blickes fixiert. Doch als es sie drängt, sich zu nähern,
greift er zum Bogen, zielt auf ihr Herz und möchte schon schießen.
Das verhinderte Jupiters Allmacht: Zugleich mit den beiden
hob er das Unrecht auf und trug sie im Wind durch das Nichts und
setzte als Sternbilder beide am Himmel nebeneinander.

 

© 2004, Miriam und Simon Bernart
 











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